In den Supermarkt fahren ohne Einkaufszettel – Kann das gut gehen? Im Kochhaus in Berlin Schöneberg auf jeden Fall. Das Kochhaus, das seit dem 4. September 2010 seine Türen geöffnet hat, ist ein etwas anderer Supermarkt. Die Lebensmittel sind hier nicht nach Warengruppen eingeteilt, sondern nach Rezepten. „Täglich kann man aus 18 verschiedenen Gerichten auswählen“, erzählt Mitbegründer Karl Dieterich. Die Zutaten kann man schon vorportioniert kaufen. Dazu gibt es eine Weinempfehlung und eine gratis Kochanleitung für jedes Gericht. So kann man sich schnell einen Überblick über die Zubereitungszeit und den Kochaufwand machen.
Vielfalt auf 160 Quadratmetern
Das Angebot des Kochhauses umfasst Vorspeisen, Hauptgerichte und Nachspeisen, die auf großen Tafeln auf 160 Quadratmetern dargestellt werden. Dabei legt sich das Kochhaus nicht auf eine bestimmte Küche fest. „Unsere Philosophie ist es, immer neue und pfiffige Gerichte zu kreieren und nicht einfach ein Rezept abzuschreiben und in den Laden zu setzen“. Deshalb wird jedes Gericht auch vorher vom Kochhaus-Team „probegekocht“ und getestet.
Das Kochhaus hat aber noch mehr zu bieten als das Einkaufen nach Rezept. Geht man die Regale entlang, findet man auch eine Auswahl an Getränken, diversen Kochutensilien und sonstigen Lebensmittel. Eine Showküche rundet das Angebot des Kochhauses ab. Überraschende Gäste stellen beim sogenannten Live-Cooking ihr Können unter Beweis und bei abendlichen Veranstaltungen gibt es Weinproben oder Kochvorführungen. Wer selbst zum Kochlöffel greifen möchte, kann sich auch zu einem Kochkurs anmelden.
Außer Koch und Küchenmeister Benjamin Rendtorff hat keiner der Gründer einen gastronomischen Hintergrund. Deshalb wollten wir wissen, ob die Umsetzung der Idee nicht etwas riskant war. Von Karl Dieterich, der im Markt dafür verantwortlich ist, dass zu den Rezepten auch immer die passenden Zutaten da sind, bekommen wir dazu ein klares „Nein“: „Wir haben uns überlegt, was wir von einem schönen, guten und inspirierenden Lebensmittelladen verlangen. Ohne den gastronomischen Hintergrund konnten wir unbelastet die Idee formen, die letztendlich zum Kochhaus geführt hat.“
Im Kochhaus einzukaufen muss nicht teurer sein
Die Preise für die einzelnen Gerichte bewegen sich in einem Rahmen von 1,90 Euro bis 9,70 Euro pro Person. Die oberen Preissegmente mögen dem Einkäufer teuer erscheinen, doch wenn man die Vorteile des Kochhauses betrachtet, wird man eines Besseren belehrt. „Man kauft beispielsweise ein Netz Tomaten oder einen Becher Crème Fraîche und benötigt für ein Rezept nur die Hälfte davon. Den Rest muss man dann vielleicht wegwerfen, wenn man nicht regelmäßig kocht“, erklärt der 27-Jährige Betriebswirt. Wenn man also immer nur die Zutaten kauft, die man auch wirklich benötigt, kann man vor allem auf Dauer durchaus auch billiger davon kommen.
Ein konkretes Beispiel hat Dieterich auch für uns. „In unserem Gästebuch hat ein Kunde geschrieben, dass er auf dem Markt war und dort die Zutaten für ein Rezept nachgekauft hat. Und das war letztendlich teurer, als es im Kochhaus zu kaufen“. Ein weiterer Vorteil: Man erhält alle Zutaten gebündelt an einem Ort. Man muss nicht durch verschiedene Lebensmittelläden laufen und sich seine einzelnen Zutaten zusammen suchen.
Das eben nicht nur die reiche Elite im Kochhaus einkaufen kann, wird mit einem Blick auf die Kundschaft deutlich. Vom Student bis zur Rentnerin und vom Handwerker bis zum Akademiker ist da alles dabei. Das bestätigt auch Karl Dieterich: „Wir sind immer wieder überrascht, wie breit gefächert unsere Kundschaft ist. Wir haben zum Beispiel ein Pastagericht für 2,70 Euro pro Person, das sich auch Leute leisten können, die nicht über ein besonders hohes Einkommen verfügen“.
Produkte aus der Region
Das Kochhaus führt unter anderem auch Bio-Produkte. Diese stehen immer wieder in einem schlechten Licht. Denn: Wer kann als Abnehmer schon überprüfen, wie viel Bio in Bio wirklich drin ist. Um diesem Problem möglichst aus dem Weg zu gehen, verlässt sich das Kochhaus-Team zum Großteil auf Lieferanten aus der Region. „Beim Olivenöl, das wir direkt aus Sizilien bekommen, haben wir beispielsweise auch direkten Kontakt zum Hersteller und einer meiner Kollegen kennt auch die Herstellungsanlagen. Da können wir dann mit gutem Gewissen behaupten, dass das auch ein gutes Produkt ist“, schildert Dieterich.
Das Medieninteresse ist groß
Weil sich das Kochhaus bisher so großer Beliebtheit erfreut, war und ist der Pressewirbel groß. Medien aus dem In- und Ausland wollen über den „neuartigen“ Supermarkt berichten. Vom „ZDF“ über den „Courrier International“ aus Frankreich bis zum „International Herald Tribune“ aus den USA. Wir wollten wissen, ob der ganze Presserummel nicht manchmal ganz schön anstrengend ist… Karl Dieterich sieht daran nur positive Aspekte: „Wir fühlen uns eher geschmeichelt, wenn viele Leute auf dieses neue Konzept anspringen und darüber berichten wollen. Außerdem ist das ein Zeichen dafür, dass wir anscheinend ein wenig den Nerv der Zeit getroffen haben.“ Des Weiteren werden viele Leute erst durch die Medien auf das Kochhaus aufmerksam, in dem sie etwas darüber in der Zeitung lesen, im Radio hören oder im Fernsehen sehen. „Wir sind ja auch zu fünft im Gründungsteam und können uns dann ganz gut abwechseln. Und es ist auch mal eine interessante Ablenkung von den anderen, eher alltäglichen Aufgaben, die wir zu erledigen haben.“
Wie die Idee zum Kochhaus entstand...
Bei einem bisher so erfolgreichen Konzept stellt sich vielen die Frage, wie diese Idee entstanden ist. Die fünf Gründungsmitglieder, die sich schon lange kennen, haben viele Abende mit gemeinsamem Kochen verbracht. Und da gab es ein Problem – „Wir wollten immer neue Rezepte ausprobieren und das hat häufig nicht funktioniert, obwohl das Rezept von einem angesehenen Koch stammte. Die Anleitungen waren oft einfach Schmarrn“, erzählt der Dieterich. Außerdem kam es vor, dass sich der „Koch“ seine Zutaten eben in mehreren Lebensmittelläden zusammen suchen musste. „Da haben wir gedacht, es kann doch nicht sein, dass bei der Idee: Ich möchte heute Abend etwas Neues mit meinen Freunden kochen!“, einem da so viele Steine in den Weg gelegt werden. Das Kochhaus war deshalb die Idee, möglichst viele Steine aus diesem Weg zu schaffen.
"Ja, ich bin begeisterter Kunde von uns selbst!"
Wir wollten von Karl Dieterich ganz ehrlich wissen, ob er denn auch selbst nach Rezept einkauft. Seine Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Ja, ich bin ein begeisterter Kunde von uns selbst! Ich habe zu Hause nur noch einen sehr leeren Kühlschrank, weil ich nichts mehr auf Halde kaufen muss und ich alle Zutaten ja auch gleich wieder verkoche“.
Positives Feedback der Kunden
Bei der Frage nach dem schönsten Erlebnis in der noch jungen „Kochhausgeschichte“ fallen Karl Dieterich gleich mehrere Ereignisse ein. „Ich stand einmal an der Kasse und ein Herr hat sich das Weihnachtsgericht mit Gänsekeulen gekauft. Da hat er mir erzählt, dass er durch das Kochhaus wieder angefangen hat, regelmäßig zu kochen und sich extra einen neuen Herd und einen neuen Ofen gekauft hat“. Für Weihnachten hat es außerdem beim Kochhaus allein 800 Vorbestellungen für Gerichte gegeben. „Das heißt: Mindestens 800 Leute haben am Weihnachtsabend ein Kochhausrezept gegessen und das ist natürlich ein toller Vertrauensbeweis“, berichtet der Betriebswirt stolz. Aber auch schon der regelmäßige Kontakt mit den Kunden im Laden bringt dem Kochhaus-Team viel Freude: „Da hat man gleich ein eins zu eins Feedback“.
Bleibt das Feedback weiterhin so positiv, steht dem Kochhaus eine erfolgreiche Zukunft bevor. Eine zweite Filiale gibt es seit März bereits am Prenzlauer Berg. Und es wird wahrscheinlich auch noch weitere Filialen geben. Und das nicht nur in Berlin, sondern in ganz Deutschland und vielleicht ja sogar im Ausland. „Wir suchen weiter nach schönen Standorten, um unsere Idee, sich für das selber Kochen inspirieren zu lassen, in andere Städte und andere Lokalitäten zu tragen“.
Weitere Informationen zum Kochhaus findet ihr hier
Wir bedanken uns recht herzlich für das Interview und wünschen für die Zukunft alles Gute!