Die Suche nach kulinarischen Werten kann demnach viele Formen annehmen: Ob es darum geht, bescheidene pflanzliche Zutaten zu veredeln, uralte Kochtechniken wiederzubeleben und zu dokumentieren, Menschen am Rande der Gesellschaft zu unterstützen und zu befähigen, in der Gastronomie aufzublühen, seltene Schätze aus dem Meer bestmöglich und vor allem komplett zu verwerten oder kulinarische Inspiration aus unerwarteten Quellen zu schöpfen. Das Ergebnis vorweg: Kulinarische Schätze können an allen möglichen und vor allem auch an unerwarteten Orten gefunden werden.
Der New Yorker Newcomer Kwame Onwuachi, die Gewinnerin des Champions of Change Awards, Jessica Rosval, und der „brutal lokale“ Gastronom Billy Wagner waren Teil der hochkarätigen Podiums-Besetzung, die über die Prinzipien ihrer Küchen referierten und das Publikum mit überraschenden Häppchen verwöhnten. Mit weiteren Einblicken und Kostproben von Malena Martínez von der Forschungseinrichtung Mater Iniciativa, dem Pionier der pflanzlichen Ernährung, Daniel Humm, und von Josh Niland, auch bekannt als "der Fischmetzger", wurde die Veranstaltung zu einer Schatzsuche für alle Sinne.
Erfahren Sie jetzt mehr über die diesjährigen Redner:
Josh Niland, Saint Peter, Sydney
Josh Niland ist bekannt als "der Fischmetzger" und einer der renommiertesten Köche für Meeresfrüchte in Sydney. Er verwendet so viel vom Fisch wie nur irgendwie möglich: Von den Augen bis zu den Organen, von den Gräten bis zu den Schuppen und alles, was dazwischen liegt. Das einzige, wofür Niland noch keine Verwendung gefunden hat, ist die Gallenblase. Für die Nutzung von durchschnittlich 90 % des Fisches gibt es viele gute Gründe, darunter der Respekt vor dem Produkt, die Verringerung des Abfalls und natürlich die reine Wirtschaftlichkeit. So präsentierte er auf der Bühne einen komplett zerlegten Fisch und sprach über die Verwertung der vielen einzelnen Teile, die er unter anderem auch als Dessert zubereitet. So überraschte er das Publikum mit seiner süßen „Schnitte“, die aus Fisch zubereitet wurde.Nilands Interesse am Essen begann, als er sich von einer Krebserkrankung im Kindesalter erholte. Er jobbte in lokalen Cafés und Restaurants in Maitland, nördlich von Sydney, bevor er eine Zeit lang in Heston Blumenthals The Fat Duck arbeitete. Heute findet man ihn im Saint Peter, das 2016 eröffnet wurde und das demnächst in einen größeren Raum im neuen Grand National Hotel umziehen wird. Niland ist außerdem Eigentümer der Fish Butchery in Waterloo, Sydney, und hat kürzlich das Fysh in Singapur eröffnet.
Caroline Caporossi und Jessica Rosval, Roots, Modena
Die Gewinnerinnen des Champions of Change Awards 2024 sind ein beeindruckend starkes Duo. Caporossi und Rosval haben Roots gegründet und damit ein soziales Unternehmen mit einem bezahlten kulinarischen Ausbildungsprogramm für Migrantinnen auf die Beine gestellt, die sich für Essen begeistern.Die beiden Gründerinnen hatten bereits 2020 die Association for the Integration of Women (AIW) ins Leben gerufen, um Frauen Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit sie sich entfalten können. Das Projekt bildet jedes Jahr zwölf Personen im gastronomischen Bereich innerhalb eines viermonatigen Zyklus´ aus. Im Jahr 2022 eröffnete Maria Assunta Ioele zusammen mit Caporossi und Rosval dann das Restaurants Roots: tagsüber ein Co-Working Space, abends ein Restaurant. Auf der saisonalen Speisekarte stehen Gerichte, die die Kulturen und die unterschiedlichen Hintergründe der Frauen in der Küche miteinander verbinden. Das übergeordnete Ziel der Einrichtung ist es, Vorurteile in Modena und darüber hinaus zu beseitigen und gleichzeitig den dort Beschäftigten zu helfen, ihre eigene Geschichte neu zu schreiben.
Billy Wagner und Micha Schäfer, Nobelhart & Schmutzig, Berlin
Der Sommelier und Gastronom Billy Wagner (u.r. im Bild) hat in ganz Deutschland gearbeitet, unter anderem im Vintage am Rhein in Köln und im Monkey's Plaza in Düsseldorf. Im Jahr 2008 zog er nach Berlin, um in der Weinbar Rutz zu arbeiten, bevor er 2015 das Nobelhart & Schmutzig eröffnete. Das hochgelobte Restaurant ist ein Schaufenster für lokale deutsche Produkte aus der Stadt und der Umgebung. Sein Küchenchef Micha Schäfer entdeckte seine Liebe zum Kochen während seiner Arbeit im Hotel Tandreas in Gießen. Später erhielt er einen Anruf von Wagner, der ihn ins Nobelhart & Schmutzig holte.Wagner ist sehr daran interessiert, die Küchenkultur umzugestalten und weniger hierarchisch zu gestalten. Seine Philosophie: Glückliche Menschen machen glückliches Essen und glückliche Gäste. Dazu gehört auch der kleine – aber wichtige – Schritt, die Position des "Chefkochs" als "kreativer kulinarischer Direktor" neu zu definieren und einen umfassenden Verhaltenskodex (Code of Conduct) gegen schlechte Arbeitsbedingungen, sexuelle Belästigung und Diskriminierung herauszugeben. Diesen stellte er im Rahmen der #50BestTalks vor.
Daniel Humm, Eleven Madison Park, New York
Daniel Humm wird immer wieder als einer der besten Köche der Welt bezeichnet und hat unzählige Auszeichnungen erhalten – unter anderem landete sein New Yorker Restaurant Eleven Madison Park (EMP) im Jahr 2017 auf der Liste der 50 besten Restaurants der Welt auf Platz 1. Während der Pandemie verwandelte Humm das EMP in eine Großküche, die mehr als eine Million Mahlzeiten für Pandemie-Helfer und unterversorgte Gemeinden bereitstellte. Als das Restaurant 2021 mit einer rein pflanzlichen Speisekarte wiedereröffnet wurde, sorgte dies in der gesamten Lebensmittelbranche für große Überraschung. Im Oktober 2022 wurde das EMP als erstes rein pflanzliches Restaurant mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet.Humm und sein Team waren auf ihrer kulinarischen Schatzsuche fündig geworden, schufen eine neue pflanzliche Speisekammer und überprüften die gesamte Lebensmittelhierarchie, indem sie die Frage stellten: Warum gelten Rindfleisch, Kaviar und Hummer als die luxuriösesten Zutaten auf den Speisekarten der gehobenen Küche und nicht Karotten, Zwiebeln und Artischocken?
Malena Martínez, Mater Iniciativa, Cusco
Mater Iniciativa ist der gemeinnützige Forschungszweig des Central in Lima, der Nummer 1 auf der Liste der 50 besten Restaurants der Welt im Jahr 2023, mitbegründet und geleitet von Malena Martínez. Die Aufgabe des Zentrums besteht darin, die grenzenlose Vielfalt Perus zu fördern und Zutaten und Techniken zu erforschen und zu dokumentieren, die von lokalen Gemeinschaften vor Ort seit Hunderten von Jahren verwendet werden.Martínez schlug zunächst eine medizinische Laufbahn ein, wandte sich dann aber der Ernährung zu. Zur gleichen Zeit wusste ihr Bruder Virgilio, dass sein Restaurant die einheimischen Zutaten Perus wesentlich genauer erforschen musste, um nach seinen Vorstellungen zu gedeihen. Mater Iniciativa wurde 2013 eröffnet und arbeitet seither eng mit dem Central zusammen.
Kwame Onwuachi, Tatiana, New York
Kwame Onwuachi ist einer der spannendsten Köche der USA – und er hat einen langen Weg hinter sich. In seinem Buch „Notes from a Young Black Chef“ (Notizen eines jungen schwarzen Kochs) erzählt Onwuachi, wie er in der Bronx aufwuchs, mit Drogen handelte, in der U-Bahn Schokolade verkaufte, um ein Catering-Unternehmen zu finanzieren, eine Ausbildung am Culinary Institute of America absolvierte und wie er schließlich bei Top Chef auftrat. Er arbeitete im Eleven Madison Park und im Per Se und leitete das von der Kritik hochgelobte Kith/Kin in Washington DC. Im Jahr 2023 gewann Onwuachis Restaurant Tatiana in New York innerhalb von sechs Monaten nach der Eröffnung den Resy One To Watch Award bei The World's 50 Best Restaurants.Das Tatiana bringt die Bodega-Kultur ins Lincoln Center in New York. Die Speisekarte ist inspiriert von Onwuachis New Yorker Erziehung, dem nigerianischen Erbe seines Vaters und den US-amerikanischen Wurzeln seiner Mutter.
Alle weiteren Informationen unter: www.theworlds50best.com