Rasmus Munk, (li. und sein Team)
Alchemist: Munks Menü mit Message
Das Alchemist ist aber nicht nur wegen des Dome – dem eigentlichen Speisesaal mit überdimensionaler Projektionskuppel (18 Meter Durchmesser) – das derzeit wohl beeindruckendste Restaurant Europas, wenn nicht weltweit, sondern auch wegen seiner Küche. Die Gerichte des enorm experimentierfreudigen Munk sind kühn, meist mit provokativer Botschaft und obendrein mit allerlei technischen Gerätschaften zubereitet. Inspiriert von der Molekularküche – Munk greift gerne auf Schockfroster und Rotationsverdampfer zurück – setzt der Spitzenkoch bei der Umsetzung fast ausschließlich auf nordische Produkte. Doch mehr noch als das, erfahren wir schon bei den Amuse Bouche gleich zu Beginn des Abends, mit welchem Eifer sich das Team hier der Wissenschaft widmet. Produkte und neue Techniken werden im Hinblick auf eine nachhaltigere Nahrungsmittelproduktion und deren gerechtere Verteilung erforscht – Munk und sein Geschäftspartner Lars Seier Christensen versorgen mit ihrer Organisation „Junkfood“ zudem 300 Obdachlose – Tendenz steigend – täglich mit warmen Mahlzeiten."Smokey Ball"
"Daisy, Double Trouble"
Wer nun befürchtet, der Geschmack könnte angesichts all des Drumherums auf der Strecke bleiben, sieht sich getäuscht. Um seine Denkanstöße effektiv zu platzieren, legt Munk größten Wert auf luxuriöse Produkte, feilt lange an seinen Gerichten und präsentiert sämtliche seiner über 40 Gänge aromatisch ausgewogen und dennoch pointiert. So öffnet er seinen Gästen schon bei den Vorspeisen die Augen, serviert Kaviar in der Pupille eines überdimensionalen Augapfels, den der Maskenbildner der Herr der Ringe-Trilogie für das Alchemist entwickelt hat. 1984 heißt das Gericht, George Orwells Big Brother lässt im Zeitalter der sozialen Netzwerke und anderer Datenkraken deutlicher denn je grüßen.
"Zungenkuss, 1984, Andy Warhol, Antwitch, Caged Chicken"
"Food for Thought"
"The Pigeon" (In Wachs gereifte Taube)
Gerichte mit Botschaft dahinter
Gerichte wie der Zungenkuss, Andy Warhol oder Burnout Chicken haben genau wie Plastic Fantastic eine tiefere Bedeutung. Letzteres weist auf die Verschmutzung der Meere und deren Bewohner durch Mikroplastik hin. Munk serviert dafür einen komplex zubereiteten Kabeljau auf einem Plastikteller und mit täuschend echt wirkender, essbarer Folie umhüllt. Solche Gags ziehen sich wie ein roter Faden durch das sechsstündige Menü-Erlebnis bis hin zum Dessert Lebensader. Die Eiscremehülle gefüllt mit Heidelbeerkonfitüre und einer Creme aus Schweineblut, Hirschblutgarum und Wacholderöl ist in Form eines Bluttropfens angerichtet und schmeckt nicht nur auserlesen, sondern macht offensiv auf die enorme Bedeutung von Blutspenden aufmerksam.Der Dome untermalt Munks Menü im Alchemist
Passend zu diesem roten Faden ändern sich auch die Projektionen auf der riesigen Kuppelleinwand im Dome immer wieder. Zehn Laserprojektoren sorgen für eine eindringliche optische Untermalung der Gerichte. So wird Munks jeweilige Botschaft nochmals verstärkt, wenn einen plötzlich zigtausende Augen beim Essen beobachten, Quallen inmitten von durchsichtigen Plastiktüten umherschwimmen und man beim Dessert in einem pochenden Herzen sitzt. Kein Wunder, dass sich schon mehr als 1.500 Gäste im Alchemist über den QR-Code auf dem Teller als Blutspender registriert haben."Lifeline"
Derk Hoberg traf Rasmus Munk (li.) in dessen Restaurant Alchemist in Kopenhagen
Munks Herz sitzt am rechten Fleck, seine Botschaften kommen an und mit der visionären Kombination aus einzigartigen Gerichten, die in provokanter Aufmachung und spektakulärem Ambiente serviert werden, trifft er sowohl Geschmack – zwei Michelin-Sterne und die Platzierung auf Platz 5 unter en World´s 50 Best Restaurants 2023 zeugen davon – als auch Zeitgeist. Und, ohne zu viel zu verraten: Der spannende und bewegende Abend im Alchemist endet nicht ohne Happy End. Lassen Sie sich überraschen!
Weitere Informationen: alchemist.dk