Das Interview mit Spitzenkoch Thomas Kellermann
Im Interview mit worlds of food spricht Thomas Kellermann über seine kulinarische Handschrift, die Privilegien, die sein Beruf mit sich bringt und über spezielle Events im Gourmetrestaurant Dichter.Thomas, Sie haben einige Stationen im Laufe Ihrer Kariere durchlaufen, sind seit einigen Jahren zurück in Bayern. Haben Sie im Dichter nun Ihre Heimat gefunden?
Ja, das kann man so sagen. Ich stamme hier aus der Nähe, kenne die Gebräuche und Eigenheiten der Region und das Hotel ist hervorragend und bietet ein optimales Arbeitsumfeld. Zudem hatte ich das Glück, am Umbau und der Planung beteiligt gewesen zu sein. So hat man auch emotional eine ganz andere Bindung, wenn man quasi jede Fliese und jeden Topf mit ausgesucht hat. Ich hoffe, dass ich noch sehr lange hier arbeiten darf und dass ich das Vertrauen, das mit die Inhaberfamilie gegeben hat, zurückzahlen kann. Der Erfolg, den wir haben, ist schließlich nicht selbstverständlich. Da gilt es immer hart dran zu arbeiten.
Ihr Restaurant Dichter hält zwei Michelin-Sterne und ist auch anderweitig hochdekoriert. Wie würden Sie Ihre Küche beschreiben?
In einfachen Worten handelt es sich um französische Küche, die mit regionalen und saisonalen Einflüssen vom Tegernsee daherkommt – ohne dabei aber absolut dogmatisch zu sein. Wir beschränken den Begriff Region zum Beispiel nicht auf 50 Kilometer Umkreis. Natürlich kommt bei mir kein Lamm oder Reh aus Neuseeland in die Küche, diese haben wir doch hier vor der Haustür. Aber eine Gelbschwanzmakrele, die ich mit Sauerkraut und Zitrone serviere, finde ich nicht im Tegernsee. Aus diesem wiederum haben wir für einen anderen Gang den hervorragenden Saibling, der von meiner Karte nicht wegzudenken ist. Ich finde es zwar auch spannend, wenn Kollegen in Sachen Regionalität oder beim Thema Molekularküche viel weiter gehen. Meine Linie, die ich mir nach meiner Zeit bei Hans Haas erarbeitet habe, ist aber moderater, nicht so revolutionär und fußt eben auf den Grundlagen der Haute Cuisine, die viele Klassiker hervorgebracht hat. Das hat zwar ein wenig gedauert, aber umso mehr freue ich mich, dass ich heute eine eigene erkennbare Handschrift habe. Trotzdem laufe ich natürlich nicht mit Scheuklappen durchs Leben, sondern schaue auch, was die jungen Wilden so treiben.
Was zeichnet Ihre Handschrift aus?
Ich versuche so einfach wie möglich zu kochen, lasse unnötiges weg um klar zu machen, um was es auf dem Teller geht. Es dreht sich also darum, was mir wichtig ist, nicht, was klassischerweise zu einem Gericht dazugehört oder was man noch dazu machen könnte. Mir geht es einfach darum, den Fokus in dieser Einfachheit auf das Wesentliche zu lenken. Trotzdem darf der Geschmack natürlich nicht auf der Strecke bleiben, das gewisse Etwas darf nicht fehlen.
Kühle Erbsensuppe, Imperialkaviar – Tatar von der Tegernseer Renke – Tegernseer Reh
Sie bezeichnen Hans Haas als Ihren kulinarischen Ziehvater, er hat auch das Vorwort für Ihr Buch verfasst…
Hans Haas war und ist ein Vorbild für mich. Ich habe unter ihm als Souschef im Tantris in München gearbeitet – er war mein erster Chef, der nicht diesen militärischen, strengen Ton in der Küche angeschlagen hat, sondern Leading by Example vorgelebt hat. Von ihm und seiner unverkennbaren kulinarischen Linie konnte ich also nicht nur viel Kochhandwerk lernen, sondern auch das Management drumherum. Und natürlich haben wir gemeinsam auch abseits des Küche viel erlebt. So waren wir schon gemeinsam beim Skifahren unterwegs, auch wenn ich bei seinem enormen Talent leider immer nur hinterherfahren kann – er fährt in einer eigenen Liga.
Wie muss man sich das vorstellen, waren das Betriebsausflüge vom Tantris aus?
Ja, das war auch ein Teil dieser tollen Zusammenarbeit damals. Im Sommer sind wir in den Alpen Rennrad gefahren, im Winter Ski. Und eine Fußballmannschaft hatten wir ebenfalls im Tantris.
Ihr Restaurant liegt mitten im Voralpenland. Kommen denn ab und zu auch mal ein paar Skirennfahrer bei Ihnen vorbei?
Durchaus. Zum Beispiel kommen Maria Höfl Riesch und Michael Veith manchmal zum Essen. Im März 2023 war auch Felix Neureuther im Rahmen unserer Veranstaltungsreihe „Dichter, Denker und Legenden“ hier und hat aus dem Nähkästchen geplaudert. Moderiert wird das Ganze von Markus Othmer, der den Skifans ja bestens aus der Weltcupberichterstattung in der ARD bekannt ist. Franz Klammer bearbeite ich gerade noch, ihn würde ich gerne mal kennenlernen. Aber auch abseits vom Skisport hatten wir mit Reinhold Messner, Fritz Keller, Uli Hoeneß und Kochlegende Eckart Witzigmann schon sehr spannende Gäste. Das Schöne an dem Format ist, dass die Restaurantgäste die Talkgäste nach einem guten Essen dann auch noch bei mir in der Küche kennenlernen und zum Beispiel übers Skifahren plaudern können.
Markus Othmer, Thomas Kellermann und Felix Neureuther (v.l.n.r)
Gehören solche Events zu den besonderen Privilegien Ihres Berufs?
In erste Linie empfinde ich tatsächlich das Kochen selbst als größtes Privileg. Das bedeutet nämlich, dass man jeden Tag kreativ arbeiten kann und man etwas damit schafft. Und im Bestfall kommt das dann auch noch gut an und man erhält positives Feedback. Natürlich ist der Beruf auch sehr anstrengend, aber die Zusammenarbeit mit den Kollegen und eben die Resonanz der Gäste wiegen das wieder auf. In der Gastronomie und bei Events wie Veranstaltungsreihe „Dichter, Denker und Legenden“ lernt man zudem interessante Menschen kennen. In meiner Berliner Zeit habe ich unter anderem auch die Rolling Stones getroffen und auch Mario Adorf war öfter bei uns im Restaurant. Der Austausch mit solchen Charakteren ist auch ein Privileg. Und wenn diese, oder auch die, in An- und Abführungszeichen, ganz normalen Gäste glücklich nach Hause gehen, dann macht auch mich das froh. Ich glaube, dass wir den Menschen positive Erlebnisse schenken, wenn sie einen tollen Abend in einem Restaurant erleben – das hat doch sogar gesellschaftlichen Wert in der aktuellen Zeit mit so vielen Krisen und Konflikten.
Sie waren auch beim diesjährigen Rheingau Gourmet und Wein Festival vertreten, haben diesem mit Ihrem Menü gewisserma0en einen würdigen Abschluss am letzten Abend bereitet…
Ja, ich bin dort immer wieder gerne als Gastkoch vor Ort. Eine renommierte Veranstaltung, bei der man auch viele internationale Kollegen treffen kann. Dass es das Festival jetzt schon so lange gibt, belohnt auch den Mut der Macher Hans B. Ullrich und seiner Tochter Johanna Ullrich, so etwas überhaupt zu initiieren und es dann Jahr für Jahr mit so viel Herzblut zu organisieren.
Zwei Michelin-Sterne hat das Dichter bereits – die Frage nach dem dritten drängt sich abschließend gewissermaßen auf…
Das stimmt, allerdings ist sie bei mir falsch adressiert. Wir haben uns Anfang dieses Jahres mit dem gesamten Küchen- und Serviceteam zusammengesetzt, ein wenig über unseren Urlaub und was jeder so erlebt hat geplaudert. Das Einzige, was ich mir dabei in Hinsicht auf das Restaurant wünschte, war, dass wir in der Küche und von den Abläufen her immer neue Akzente setzen, an ein paar Stellschrauben drehen und uns, da wo es möglich ist, noch verbessern. Einfach, damit die Gäste merken, dass wir uns weiterentwickeln. Ob das jetzt irgendwann in drei Sternen mündet, werden wir sehen. Aber wie schon gesagt, einzig auf dem bisherigen Erfolg wollen wir uns nicht ausruhen.
Dann viel Erfolg weiterhin und danke für das nette Gespräch!
Alle weiteren Informationen finden Sie unter: www.gourmetrestaurant-dichter.de