Fritz Keller – Wein ist spannend wie ein Fußballspiel Fotos: Derk Hoberg, Weingut Franz Keller Schwarzer Adler und gettyimages
Fußball und Wein - wie passt das zusammen, Herr Keller?

Fritz Keller – Wein ist spannend wie ein Fußballspiel

Ein Gespräch mit dem Gastronom, Winzer und Präsidenten des SC Freiburg: Fritz Keller. Er erklärt seine Philosophie im Weinkeller und beim Sportclub, spricht über seinen berühmten Patenonkel und warum der Wein eben doch zum Fußball passt.

fritz keller weingutFritz Keller ist einer der angesehensten Winzer Deutschlands. Seit 1990 führt er das Familiengut Franz Keller am Kaiserstuhl. Darüber hinaus führt er mit dem „Schwarzen Adler“ und dem zugehörigen Luxushotel das Restaurant in Deutschland, das am längsten mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist (seit 1969). Seit 2010 ist er nun auch der 1. Vorsitzende des Fußball-Bundesligisten SC Freiburg. Wir sprachen mit ihm über Wein und Fußball.

Herr Keller, Sie sind Gastronom, Winzer und Fußballfunktionär. Wein und Fußball, wo besteht da die Verbindung?


Das sind alles tolle Aufgaben. Gastronomie, Wein machen, Fußball, all das hat mit Menschen und mit Emotionen zu tun. Ohne Emotionen bekommt man kein gutes Gericht auf den Teller, keinen guten Wein in die Flasche und beim Fußball kein gutes Spiel zu sehen. Mit diesen Emotionen kann man sogar auch Defizite wettmachen. Auf dem Platz steht uns ja ein Gegner gegenüber, der jedes Mal etwas anderes möchte als wir und im Weinberg schlägt uns die Natur so manches Schnippchen. Darauf gilt es, zu reagieren.

Was ist in Ihren Augen denn das Beste am Winzerleben? Ich unterstelle einfach mal, es handelt sich um die Qualitätskontrolle der Produkte.

Das ist wahrlich das Schönste an meinem Beruf. Vor allem dann, wenn man die Weine nach ein paar Jahren probiert, wenn sie vollreif sind. Das ist spannend wie ein Fußballspiel. Man weiß vorher nicht, wie es ausgeht. Der Gegner beim Fußball und die Natur und vor allem das Wetter beim Wein können wir nicht beeinflussen. All das erfordert tagtägliche Entscheidungen. Wie viel Humus bringen wir aus, wann beginnen wir mit dem Rebschnitt, wann lesen wir die Trauben, wie lange lassen wir sie auf der natürlichen Hefe, wann füllen wir ab. Dabei probieren wir ständig, von der jungen Beere bis zur Ernte, vom Most bis zum Jungwein. Wenn die Weine dann reif sind, ist es wie eine Belohnung für unsere Arbeit.

weingut franz kellerDas Weingut Franz Keller in Oberbergen am Kaiserstuhl
Ihren leidenschaftlichen Aussagen ist zu entnehmen, dass Sie häufig noch selbst in den Weinberg gehen, oder?

Zur Lese auf jeden Fall. Ich habe mir in diesem Sommer sogar eigens ein E-Bike zugelegt, damit ich die verschiedenen Lesetrupps besser anfahren kann. So bleibe ich aktiv und kann am Abend auch ruhigen Gewissens wieder etwas Anständiges essen (lacht).

Wie würden Sie Ihre Weine denn beschreiben?

Wir machen keinen Mainstream, arbeiten sehr puristisch im Keller, komplett ohne Süßung. Das gefällt nicht jedem, denn das erfordert auch Erfahrung in Sachen Weintrinken. Dem einen oder anderen ist diese offene Säure, die nicht über zusätzliche Süße abgedeckt ist, zu hart. Man muss unseren großen Gewächsen aber auch ein bisschen Zeit geben, bis man sie aus der Flasche lässt. Gute Weine brauchen eben eine Weile, wohingegen ein herkömmlicher Wein innerhalb von zwei Jahren schon getrunken sein sollte.

Da hat sich heute aber doch einiges getan in Deutschland, die schlimmen Zeiten der osteuropäischen Mädchentraube sind doch lange vorbei, oder?

Ja, die ganz schlimmen Zeiten sind vorüber. Dennoch wird in Deutschland heute leider schon wieder mit zu viel Süßung gearbeitet. Nehmen wir die Burgundersorten. Einen Rotwein mit so viel Zucker gefällig zu machen, damit die Lagerzeit wegfällt und man ihn schneller verkaufen kann, das ist eine Katastrophe. Das würde es im Burgund selbst nie geben. Bei Weißweinen wie Weißburgunder, Grauburgunder und Chardonnay passiert das auch in Deutschland. Wir haben wieder eine kleine süße Welle. Vielleicht sogar verständlich, denn süß ist nun einmal der einfachste Geschmack.

Kaiserstuhl

Nun ist Ihr Wein zum Genießen da. Kann man denn die Bundesliga immer bedenkenlos genießen?

Die Bundesliga ist nicht nur Vergnügen und schmerzt mitunter, keine Frage. Natürlich muss man auch dort mit Rückschlägen wie einem Abstieg rechnen und diesen wegstecken können. Wie im Weinberg, wenn es ein schlechtes Jahr war. Dann muss man hinterher im Weinkeller umso härter arbeiten. Aber das ist auch eine Schule fürs Leben, denn Niederlagen gehören eben dazu. Und trotz aller Rivalität, die es beim Fußball gibt, gibt es gleichzeitig nichts, was mehr verbindet als dieser Sport. Fußball bringt Generationen, Menschen unterschiedlicher sozialer Schichten und verschiedener Nationalitäten zusammen. Diese Integrationskraft ist von enormer Bedeutung für unsere Gesellschaft. Die Bundesliga hat da eine große Vorbildwirkung für den Breitensport.

Geht es inzwischen nicht viel zu sehr ums Geld und macht es das den kleinen Vereinen wie Freiburg auf Dauer nicht unmöglich, in diesem Geschäft zu bestehen?

Für uns wird es nicht einfacher, das ist klar. Aber deswegen dürfen wir nicht anfangen zu jammern. Wir müssen den Markt beobachten, uns weiterentwickeln, Möglichkeiten suchen, wie wir zukünftig bestehen können. Bisher haben wir unsere Nische gefunden. Natürlich sind die heutigen Transfersummen irrsinnig. Aber die Nachfrage regelt den Preis und offenbar sind die Begehrlichkeiten so groß, dass immer mehr Geld in den Fußball fließt.

Das Geld landet aber – wie so häufig – bei denen, die ohnehin schon viel davon haben. Die Folge ist, dass es ganz oben in der Liga an Spannung mangelt. Müsste das Geld Ihrer Meinung nach gerechter verteilt werden?

Wir haben nach wie vor eine der attraktivsten Ligen der Welt. Auch ganz oben, denn da wackelt es momentan auch ein bisschen. Wissen Sie, es gab Rekordmeister in der deutschen Fußballgeschichte, die es heute nicht mehr sind. So hat alles seine Zeit. Für Bayern München, deren Arbeit ich sehr respektiere, wird es auch wieder enger. Wichtig ist, dass wir weiter auf die Jugend setzen. Wer an der Jugend spart, spart am falschen Ende. Daher kann ich den Bundesliganeulingen wie Leipzig und im weitesten Sinne auch noch Hoffenheim nicht einmal böse sein. Dort wird ähnlich viel für die Jugendarbeit getan wie bei uns. Nur eben mit wesentlich mehr Geld. Da müssen wir mit kreativen Konzepten dagegen halten. Ein Pfund dabei kann Tradition sein, ein anderes die Werte, die wir seit langem vermitteln.

Fritz Keller Freiburg(©gettyimages)
Welche Werte sind das?

Wir sind in erster Linie ein Verein. Das wollen wir im Sinne unserer Mitglieder auch bleiben. Nach einer aktuellen Markenstudie der TU Braunschweig sind wir der zweitsympathischste Fußballclub Deutschlands. In den Bereichen Nachhaltigkeit, Bodenständigkeit und Familienfreundlichkeit sogar die Nummer eins. Das ist Freiburg, das zeichnet unsere Arbeit hier aus. Diese Eigenschaften müssen bei uns alle Führungskräfte mitbringen. Letztlich beschert unsere Arbeit als Verein uns einen Gesamtmarkenwert im deutschen Fußball von Platz neun. Und das in unserer Fußballlandschaft, in der viele Mannschaften aus großen Metropolen und finanzstarken Regionen vertreten sind.

Der SC Freiburg schafft es immer wieder, aus der Not, sprich aus Abgängen zahlreicher Leistungsträger, eine Tugend zu machen und neue Nachwuchskräfte in der Bundesliga zu etablieren. Wird bereits in den Jugendmannschaften nach dem gleichen System wie bei den Profis gespielt, damit dem Nachwuchs der Übergang leichter fällt?

Je älter die Spieler im Nachwuchsbereich werden, umso ähnlicher werden die Spielsysteme. Aber insgesamt geht es heute um eine möglichst vielseitige Ausbildung. Jeder Spieler sollte so flexibel wie möglich sein, schließlich stellt uns auch jeder Gegner vor andere Herausforderungen. Ich bin nach wie vor dafür, dass unsere Spieler in der Jugend alle Positionen gespielt haben müssen, von der Abwehr bis in den Angriff. In der Jugend geht es nicht immer um das Ergebnis. Die Ausbildung am Ball, das Verständnis für den Raum ist wichtiger.

streich kellerTrainer Christian Streich und Präsident Fritz Keller (©gettyimages)
Guter Wein braucht Zeit. Hat Sie das gelehrt, auch Ihrer Mannschaft und Ihrem Trainer immer die nötige Zeit zu geben?

Unser Trainer hat sogar noch mehr Geduld als ich und trifft mutige Entscheidungen mit der Mannschaft. Wenn ein junger Spieler am Wochenende einen Fehler macht, der Trainer aber sieht, dass er unter der Woche gut arbeitet, dann bekommt er beim nächsten Mal wieder seine Chance. Ich bin auch unserem Publikum in dieser Hinsicht dankbar, das unserer Arbeit vertraut und Geduld hat. So haben wir im vergangenen Zweitligajahr wieder eine Mannschaft geformt, die Perspektive hat. Das sind tolle Burschen, die zu einer Einheit geworden sind und deren Selbstbewusstsein immer weiter wächst. Diese Entwicklung ist toll. Genau wie beim einem reifendem Wein, wenn Sie so wollen.

Wie kann es der SC Freiburg im Rahmen seiner Möglichkeiten schaffen, zukünftig in der Bundesliga zu bestehen?

Wir werden weiterhin auf Aus- und Weiterbildung junger Spieler setzen. Auf vernünftige Entscheidungen, die zwar überlegt, dennoch aber schnell getroffen werden können. Schnelle Entscheidungen sind oft preiswerte Entscheidungen. Ein weiterer Baustein ist der Stadionneubau. Ich bin sehr froh, dass wir es bauen können, denn die gesamtgesellschaftliche Lage ist in Deutschland inzwischen so, dass wir Veränderungen und Großinvestitionen viel zu kritisch gegenüberstehen. Wir sind veränderungsfeindlich geworden und müssen aufpassen, unserer Jugend nicht die Zukunft damit zu verbauen.

12232Der VIP-Bereich im aktuellen Stadion des SC Freiburg
Passt ein neues Stadion denn überhaupt zum SC Freiburg und seinen Werten? Geht in den neuen Arenen, den Logen und VIP-Bereichen nicht auch Stück für Stück die Fußballromantik flöten?

Bei der Planung des neuen Stadions ist es uns sehr wichtig, dass sich der Charakter des SC und der Stadt Freiburg an vielen Stellen wiederfindet. Stehplatz-Fans und VIP-Gäste sollen sich gleichermaßen wohlfühlen und das neue Stadion als Heimat empfinden. VIP-Bereiche muss es geben, das ist durchaus im Interesse aller Fußballfans. Diejenigen, die mehr haben, sollen auch mehr geben. Sie bekommen dafür natürlich auch mehr geboten. Letztlich ermöglichen sie aber, dass andere eben nicht so viel für die Tickets zahlen müssen. So hat Intendant Peter Zadek einst schon das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg gerettet. Zudem haben wir in Freiburg noch ein ganz besonderes Hospitality-Konzept, das zwar ein bisschen mehr Arbeit macht, aber auch dafür sorgt, dass wir regelmäßig zum Stadion mit der besten Wurst und dem besten Catering gewählt werden. Wir haben nach wie vor unterschiedliche, regionale Metzger und Bäcker, die uns beliefern, verschiedene Restaurants aus der Region, die abwechselnd das Catering im VIP-Bereich machen. Wir schenken dazu ein bekanntes, regionales Bier aus, das übrigens auch im VIP-Bereich gerne getrunken wird. Bei uns gibt es aber auch seit jeher guten Wein im Stadion. Wir sind nun einmal eine Weinregion hier und pflegen unsere kulinarische Kultur. Davon weichen wir nicht ab, auch nicht im neuen Stadion.

Abschließend und um den Kreis zu schließen: Wie sind Sie als Winzer denn überhaupt zum Fußball gekommen?

Das wurde mir in die Wiege gelegt. Mein Vater war ein Fußballverrückter und er sorgte dafür, dass der große Fritz Walter, der bei uns im „Schwarzen Adler“ gerne feierte, mein Patenonkel wurde. Deshalb lautet mein voller Name auch Fritz Walter Keller. Ende der 1980er Jahre hat mich der Sportclub Freiburg mit tollem Fußball in seinen Bann gezogen. Irgendwann las ich ein Interview mit meinem Vorgänger Achim Stocker (ehem. Präsident SC Freiburg, d. Red.), in dem er sich über mangelnde Sponsoren in Freiburg beklagte. Ich war anderer Meinung und schrieb ihm einen Brief, dass es diese gäbe und man nur das Geld von ihnen einsammeln müsse. Er bat mich, das zu übernehmen. Ich machte mich ganz gut und ein Jahr später, 1992, saß ich dann im Vorstand dieses tollen Vereins.

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