„Als Koch hat man große Verantwortung!“ – Massimo Bottura Marco Poderi; Jessica Bachmann; The World´s 50 Best Restaurants -- SpitzenKoch Massimo Bottura mit einem seiner Signature Dishs: "The Chrunchy Part Of The Lasagne"
Spitzenkoch Massimo Bottura im Interview

„Als Koch hat man große Verantwortung!“ – Massimo Bottura

Massimo Bottura ist einer der kreativsten, bekanntesten und meistdekorierten Köche der Welt. Der in Modena (Emilia Romagna) geborene Spitzenkoch versteht es nicht nur, die italienische Küche genial weiterzuentwickeln, sondern gewinnt auch negativen Ereignissen immer etwas Positives ab. Wir sprachen mit ihm über sein Drei-Sterne-Restaurant Osteria Francescana und weitere seiner Restaurants, soziale Projekte und wie man Rückschläge schöpferisch nutzt.


worlds of food: Massimo, Sie betreiben die mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnete Osteria Francescana in Modena, das edle Gästehaus Casa Maria Luigia, das Franceschetta58 und noch weitere Restaurants an anderen Standorten. Zudem engagieren Sie sich in vielen verschiedenen sozialen Projekten. Sind Sie inzwischen mehr Unternehmer als Koch?


Massimo Bottura: Das könnte man fast meinen, ja. Alleine in Modena habe ich über 150 Angestellte inzwischen, meine Familie wird immer größer.

Sie sind ein durch und durch positiv denkender Mensch, fanden auch in schwierigen Zeiten immer eine Lösung. Nach dem schweren Erdbeben in der Emilia Romagna im Jahr 2012 verbreiteten Sie zum Beispiel sehr öffentlichkeitswirksam ein Rezept, das viel Parmigiano Reggiano benötigt. Damit unterstützten Sie die Käseproduzenten massiv beim Abverkauf ihrer durch das Erdbeben beschädigten Käselaibe. Dann kam Corona… Nun liegt die Pandemie inzwischen schon eine Weile zurück, konnten Sie diese für uns alle bedrückende Zeit ebenfalls etwas Positives abgewinnen?

In der Pandemie hatten wir kostbare Zeit, uns um die Dinge zu kümmern, für die wir sonst keine Zeit hatten. Wir haben vor allem Social Media genutzt, um verstärkt auf das Thema Lebensmittelverschwendung und Nachhaltigkeit aufmerksam zu machen. Man konnte uns dort beim Einkaufen von regionalen und saisonalen Produkten zuschauen und wie wir sie als Familie kochen. Sonntags gab es dann immer ein Dinner mit den übriggebliebenen Lebensmitteln, zu dem wir Menschen in Not einluden. Der Kampf gegen Lebensmittelverschwendung und gegen soziale Isolation, ist der große Kern unserer sozialen Projekte.

Außerdem plante ich in dieser Zeit Restauranteröffnungen in Kooperation mit Gucci. Inzwischen gibt es vier Gucci Osterien – jeweils in Florenz, Beverly Hills, Tokio und in Seoul. Und für Ferrari habe ich das Ristorante Cavallino konzipiert. Eine zeitgenössische Trattoria neben dem Ferrari-Werk in Maranello mit Holz an den Wänden und Tischdecken – es klingt tatsächlich nach Trattoria, aber es ist extrem schick und hochwertig. Wir tauschen den billigen Schinken, mit den die Nudeln gefüllt sind, gegen einen im Holzofen geräucherten Premiumschinken und servieren dazu lange gelagerten Parmesan. Auch sonst hatten wir enormen Spaß, typische Dinge einer Trattoria hier in einer edlen Variante umzusetzen. Ein Gericht stammt sogar von Enzo Ferraris Frau Lina, die Maccaroncini Lina. Das Gericht hat sie immer für Enzo und die Enkel gekocht.

Massimo Bottura Osteria Francescana
Und für die Osteria Francescana, Ihr bekanntestes und hochdekoriertes Restaurant?

Für die Osteria Francescana haben wir uns im Lockdown ein Menü ausgedacht, was die Freude des Wiedereröffnens darstellen sollte. Im zweiten Lockdown kreierten wir dann ein Menü, das wir Italien widmeten. Unser Herz war verletzt vom ewigen Stop and Go, das die Pandemie uns bescherte. Das neue Menü sollte uns daran erinnern, wo wir herkommen, aber mit einem zeitgenössischem Twist. 

In wie weit konnten Sie in den Lockdowns mit Ihrem Team zusammenarbeiten?

Auch das klappte gut, ich nenne mein Team ja auch meine Kinder und ich gebe ihnen die Möglichkeit sich einzubringen und sich auszuprobieren. Es wurde zu einer kreativen kulturellen kreativen Übung. Wir haben über verschiedene Kanäle mit 60 Chefs 100 Rezepte kreiert, die kurz vor der Wiedereröffnung für das Menü auf zehn reduziert wurden.

Wie kommen solche Kooperationen mit namhaften Unternehmen wie mit Gucci und Ferrari zustande?

Wir suchen nur Partner. die zu uns passen. Ich will kein Geld mit diesen Kooperationen verdienen, ich will qualitativ hochwertige Produkte und Partnerschaften. Wir haben Einfluss und viele Follower, da hat man Verantwortung. Ich suche immer italienische Partner aus und meist sind es Freunde. Die kenne ich und sie lassen mich nicht im Stich. Mit Marco Bizzarri, ehemaliger CEO bei Gucci, bin ich zum Beispiel aufgewachsen. Wir saßen in der Schule in Modena nebeneinander.


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Massimo Bottura (re.) mit Tim Brooke-Webb, Managing Director bei The World's 50 Best Restaurants

Mit Ihrem Projekt „Food for Soul“ tun Sie weltweit Gutes für unzählige notleidende Menschen. Gleichzeitig helfen Sie aber auch hier in der Emilia Romagna vor Ort mit kleineren Projekten, wie zum Beispiel mit der wiedereröffneten Tortellini-Manufaktur Viva Tortellante. Erzählen Sie uns darüber!

Das ist ein tolles Projekt, bei dem auch meine Frau Lara involviert ist. Dafür haben wir uns die am meisten ausgegrenzten Gruppen der Gesellschaft gesucht, um die Tradition der handgemachten Tortellini hier vor Ort zu bewahren und ebenjenen Menschen eine Chance zu geben und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Wir sorgen damit für ältere Menschen und gehandicapte Kinder, die sonst außen vor bleiben. Sie machen die perfekten Tortellini, sind voller Hingabe und gehen auf in dieser Aufgabe – sie haben sogar eine Auszeichnung von einem italienischen Food-Magazin dafür bekommen. Es ist wichtig diesen Menschen etwas zurückzugeben. Und nicht zuletzt kommen die dort produzierten Tortellini auch in meinen Restaurants zum Einsatz – es sind nämlich wirklich die besten!

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Massimo Bottura in der Tortellini-Manufaktur Viva Tortellante (©Viva Tortellante)

In welchen Ihrer Restaurants trifft man Sie für gewöhnlich am meisten an?

Dienstag und Samstag bin ich immer im Casa Maria Luigia, wo wir im Francescana at Maria Luigia in neun Gängen meine beliebtesten Gerichte aus der Osteria Francescana servieren. Mittags bin ich eigentlich immer in der Osteria Francescana. Das ist nun mal mein Baby, das inzwischen schon ganz schön groß geworden ist.

Derk Hoberg Massimo Bottura Interview

Derk Hoberg traf Massimo Bottura im Garten seines edlen Gästehauses Casa Maria Luigia zum Interview

Derk Hoberg Massimo Bottura

An Ihrem lustigen Buchtitel „Never Trust A Skinny Italian Chef“ müssen Sie auch heute, neun Jahre nach Erscheinen dieses Buches, nichts ändern. Verraten Sie uns abschließend doch, wie Sie so gut in Form bleiben?

Ich sah ein Foto mit diesem Text bei einem Freund und dachte, diesen Titel muss ich nehmen, er ist so ironisch. Eine Portion Ironie ist immer wichtig, man muss am Boden und bescheiden bleiben. Wir sind nur Köche, daran muss man sich immer erinnern. In Italien heißt das Buch aber: „Komm mit mir nach Italien“. Die Italiener verstehen den Witz gar nicht. Aber hinter aller Ironie steckt auch eine Wahrheit und kulinarisch bleibe ich aufgrund meiner großen Erfahrung immer ernst und vertrauenswürdig.  Als Koch hat man schließlich auch eine große Verantwortung und das versuche ich in jeder Beziehung vorzuleben. Daher ist mein Geheimrezept letztlich ganz einfach: Ich esse gesundes Essen, weil ich gute Produkte verwende.

Besten Dank für das kurzweilige Gespräch, Massimo.


Alle weiteren Informationen unter: massimobottura.it

Zur Person: Massimo Bottura

Nachdem der 1962 geborene Massimo Bottura sein Jura Studium abgebrochen hatte, eröffnte er 1986 sein erstes Restaurant (Trattoria del Campazzo) in seiner Heimatstadt Modena. Eher zufällig besuchte Spitzenkcoh Alain Ducasse das Restaruant und engagierte Bottura anschließend für sein berühmtes Restaurant Louis XV in Monaco. Nach dieser Station zog es Bottura nach New York City, wo er auch seine Ehefrau, die Kunstexpertin Lara Gilmore, kennenlernte.

Nach seiner Rückkehr in die Emilia Romagna eröffnete er 1995 seine Osteria Francescana in Modena, die seit 2011 drei Sterne vom Guide Michelin und 2016 und 2018 von The World´s 50 Best Restaurants zum besten Restaurant der Welt gekürt wird.“

Im Jahr 2016 gründete er zusammen mit seiner Frau Lara Gilmore das Projekt FOOD FOR SOUL, das lokale Gemeinschaften wie die Tortellini-Manufaktur Viva Tortellante aber auch zahlreiche internationale Projekte unterstützt, sich gegen Lebensmittelverschwendung und für mehr Nachhaltigkeit engagiert und soziale Isolation von Randgruppen bekämpft.

Auch mit seinem 2014 erschienen Kochbuch „Never Trust A Skinny Italian Chef“ bringt er seine lebensfrohe Art und seine Kochkunst bestmöglich zum Ausdruck. Neben den vorgestellten Rezepten berichtet er darin unterhaltsam über die Entstehung seiner berühmtesten Gerichte wie „Five Ages of Parmigiano Reggiano“, „The Crunchy Part of the Lasagne“ und „Oops! I Dropped The Lemon Tarte“, die er heute auch als Best of Bottura Menü in seinem Hotel Casa Maria Luigia vor den Toren Modenas serviert.