Das Interview mit Norbert Niederkofler
worlds of food: Norbert, Sie sind in Ihrem Leben als Koch viel herumgekommen und inzwischen wieder zurück in der Südtiroler Heimat. Kochen Sie hier am liebsten?Norbert Niederkofler: Das ist schwer zu sagen, aber natürlich bin ich hier verwurzelt. Ich bin ich in der Jugend hier Skirennen gefahren, habe das mit etwa 17 Jahren an den Nagel gehängt und dann eine Lehre an einer Hotelfachschule am Tegernsee begonnen. Ab diesem Zeitpunkt habe ich den Beruf als Koch genutzt, um in der Welt herumzukommen, habe mir mit dem Job den Traum vom Reisen erfüllt. So kamen Aufenthalte in den Vereinigten Staaten und dem Rest Amerikas, Asien, Russland, Deutschland, Österreich und England zusammen. Alleine in New York habe ich in einer Stadt so viele verschiedene Kulturen besser kennenlernen dürfen – eine faszinierende Stadt. Deshalb nehme ich mir auch noch immer meine Auszeiten und gehe auf Reisen.
Idylle pur: San Cassiano in Alta Badia
worlds of food: Kochen Sie auch immer, wenn Sie auf Reisen sind?
Norbert Niederkofler: Sagen wir so: ich beschäftige mich immer mit dem Thema Kochen, auf Reisen allerdings mehr auf kultureller und gesellschaftlicher Ebene. Diese Verbindung zwischen Kultur und Küche versuche ich auch hier in meiner Küche umzusetzen und dabei nutze ich eben, neben den regionalen Produkten von hier, auch die internationalen Erfahrungen, die ich beispielsweise bei den Aborigines in Australien oder bei den Hopi-Indianern in Arizona gesammelt habe. Diese kann man durchaus passend auf unsere Küchenkultur übertragen – ein ungemein fruchtbarer und spannender Prozess.
worlds of food: Inzwischen wird hier in Alta Badia fast überall Wert auf gute Küche und Genuss gelegt. Wie kam es dazu?
Norbert Niederkofler: Nun, in den Skihütten hier gab es ja immer schon gutes Essen, nur eben überall die gleichen Gerichte. Deshalb haben wir vor etwa zehn Jahren die Initiative „Skifahren mit Genuss“ gestartet und befreundete Spitzenköche hierher geholt, die jeweils ein Gericht für eine Hütte entwickelt haben. Die Wirte bemerkten, dass sich diese Qualitätsoffensive positiv für sie auswirkt, heute haben sie teilweise fünf bis sechs Gastkochgerichte im Angebot und sie erweitern auch ihre Weinkarten ständig. Und es gibt ja auch noch viel mehr Veranstaltungen dieser Art und das ganze Jahr hindurch.
Tortelli gefüllt mit Paté vom Speck und Büffelmozzarella - ein Gericht von Norbert Niederkofler, das in der "Ütia de Bioch" auf 2.079 Metern im Skigebiet von Alta Badia serviert wird
worlds of food: Nun haben Sie selbst im vergangenen Jahr die höchste Auszeichnung erhalten, die ein Koch bekommen kann. Waren die drei Michelin-Sterne denn immer Ihr erklärtes Ziel gewesen?
Norbert Niederkofler: Das war immer mein Ziel, ja. Aber ich habe mir dabei nie Druck gemacht, habe geduldig darauf gewartet, dass die Zeit dafür reif ist. Nun ist der Zeitpunkt eben gekommen, vor fünf Jahren hätte der Guide Michelin unseren sehr regionalen Stil, letztlich unsere Alpenküche, auch nicht mit drei Sternen bewertet. Ich habe deshalb aber meinen Weg nie verlassen und dadurch sind wir jetzt eben das einzige Drei-Sterne-Restaurant weltweit, das wirklich komplett regional arbeitet. Die Genugtuung, es so geschafft zu haben, ist umso größer und ich bin froh, dass uns das gelungen ist. Im Bild eines Bergsteigers habe ich also eine komplett neue Route auf den Mount Everest gewählt.
worlds of food: Deshalb hat es vom zweiten bis zum dritten Stern auch etwas länger gedauert…
Norbert Niederkofler: Das ist so, ja. Ich glaube, ich bin sogar der älteste Koch, der jemals drei Sterne bekommen hat. Aber wir mussten auch unsere Erfahrungen machen mit diesem neuen Konzept, da will ja viel erprobt und durchdacht werden, damit man eine gleichbleibende Qualität garantieren kann und wir arbeiten deshalb auch sehr eng mit lokalen Produzenten zusammen. Dieser Weg war auch riskant und viele Kollegen hatten mich anfangs gewarnt, dass ich mit dieser Idee womöglich meinen zweiten Stern verlieren könnte. Das habe ich aber einkalkuliert, bin das Risiko eingegangen.
Norbert Niederkoflers Restaurant St. Hubertus im Hotel Rosa Alpina
worlds of food: Das klingt mutig, hätte schließlich auch schief gehen können…
Norbert Niederkofler: Ich bin ein positiv eingestellter Mensch, habe immer versucht, auch dem Scheitern etwas Gutes abzugewinnen. Dazu hatte ich natürlich immer hervorragende Lehrmeister und Kollegen als Grundstein. Von Eckart Witzigmann bis hin zu David Bouley, die beide über ein immenses Wissen über das Thema Kochen verfügen, habe ich viel mitgenommen. Daneben habe ich mich aber auch immer für andere Persönlichkeiten, ihren Lebenslauf, ihre Ziele und wie sie diese erreicht haben interessiert und gerne Zeit mit solchen Menschen verbracht. Das alles hat mich weitergebracht und das versuche ich, auch meinem Team mitzugeben.
worlds of food: 2016 haben Sie das Projekt “Care´s“ ins Leben gerufen. Was steckt, abschließend betrachtet, dahinter?
Norbert Niederkofler: Kurz gesagt, unsere Zukunft. Das Projekt trägt den Untertitel „Etical Chef Days“ und es geht um ethisch korrektes und auf Nachhaltigkeit angelegtes kochen. Mit dabei in den Diskussionsrunden und Masterclasses sind so engagierte Köche wie Massimo Bottura oder Leonor Espinosa und wir zeichnen auch Köche aus, die sich diesem Thema verschrieben haben. Dabei arbeite ich mit Partnern wie Audi zusammen, die ich im Zuge dessen auch davon überzeugen konnte, überall in Alta Badia Ladestationen für Elektro-Autos zu installieren und keine Autos mehr auf die Skipisten in Schaukästen auszustellen. Wenn, dann eben Elektro oder zumindest Hybrid. Das ist doch das, was sich die Menschen für die Zukunft wünschen. Denken Sie nur an Dieselgate. Das kam kurz nach der Gründung von Care´s ans Licht.
Weitere Informationen zu Norbert Niederkofler und seinem Restaurant St. Hubertus finden Sie hier: www.rosalpina.it/de
Derk Hoberg (re.) traf Norbert Niederkofler in seiner Küche