Bayrische Forelle mit Linsen, Kräutern, Champignons und Molke - ein Gericht von Jan Hartwig, serviert im Ikarus im Hangar-7 zu Ehren von Eckart Witzigmanns 80. Geburtstag
Corona-Opfer Schuhbeck
Für ein Beben mittlerer Stärke sorgte auch die nun bekanntgewordene Insolvenz von TV-Koch und „Platzlhirsch“ Alfons Schuhbeck. Während diesbezüglich reichlich Theorien und auch Gerüchte hinsichtlich früherer Probleme mit dem Fiskus und eines noch immer laufenden Steuerstrafverfahrens kursieren, zwang die Corona-Krise laut Schuhbeck selbst seine Gastronomiebetriebe nun in die Knie: „Nachdem die vollmundig angekündigten Staatshilfen bei mir bis heute ausgeblieben sind, muss ich für meine Betriebe Insolvenz anmelden“, so Schuhbeck in einer schriftlichen Stellungnahme. Zwar bleiben seine Betriebe (das Restaurant Orlando und die Südtiroler Stuben) vorerst geöffnet, ein radikaler Neuanfang ist aber unausweichlich. Und so wird sich das kulinarische Erscheinungsbild am Platzl in Münchens Altstadt, Heimat von Schuhbecks in Schieflage geratenem Gastro-Imperium, wohl bald wandeln.Tantris – Die Evolution einer Restaurant-Legende
Für positive Schlagzeilen aufgrund des neuen Konzepts sorgte zuletzt dagegen die Münchner Restaurant-Legende Tantris, nachdem Spitzenkoch Hans Haas hier nach 29 Jahren – immer mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet – seinen Abschied in den Ruhestand bekanntgegeben hatte. Während Eckart Witzigmann Anfang der 1970er Jahre von hier aus die Restaurantlandschaft Deutschlands nachhaltig revolutionierte und die Haute Cuisine nach Deutschland brachte, erfindet sich das Tantris in seinem 50. Jahr nun gewissermaßen neu. Vielversprechend, schließlich sollen das Menü-Restaurant Tantris, das neue À-la-carte-Restaurant Tantris DNA und die Tantris Bar unter dem Dach des denkmalgeschützten Baus von Julius Dahinden in Schwabing vereint werden. Matthias Hahn, lange Jahre für Alain Ducasse in Paris tätig, wird Executive Chef. Er koordiniert sämtliche Outlets und deren Teams um die zukünftigen Küchenchefs Benjamin Chmura (Restaurant Tantris) und Virginie Protat (Tantris DNA) in diesem neuen Maison Culinaire.Benjamin Chmura, Virginie Protat und Matthias Hahn vor dem Tantris ( v. links)
Tohru Nakamura – Mit dem Salon Rouge zu neuen Ufern
Bereits im vergangenen Jahr musste der vom Gault Millau noch zum Koch des Jahres gekürte Tohru Nakamura den Werneckhof by Geisel in Schwabing verlassen. Pandemiebedingt war hier an ein Weitermachen wie zuvor nicht mehr zu denken – und das, obwohl das Restaurant dank Nakamuras Auszeichnung in aller Munde und „schon bis zum Ende des Jahres 2020 ausgebucht war“, wie Tohru Nakamura uns beim Rheingau Gourmet und Wein Festival im Februar 2020 noch versicherte. Nakamura, der unter anderem unter Martin Fauster im Königshof gelernt hat – das Sterne-Restaurant wurde aufgrund des derzeitigen Umbaus des gleichnamigen Hotels am Karlsplatz ebenfalls dauerhaft geschlossen – hat aber einige heiße Eisen im Feuer. So eröffnete er noch im vergangenen Sommer sein Pop-up-Restaurant Salon Rouge in der Münchner Stadtschreiberei bis zum erneuten Lockdown im November, betrieb von dort aus seither einen Street Food-Imbiss, um sein Team über Wasser zu halten.Ist guter Dinge: Tohru Nakamura
Im Herbst 2021 wird Tohru Nakamura mit der "Schreiberei" nun wieder in Münchens Altstadt zurückkehren. Diesmal dauerhaft und sicher auch mit Ambitionen in Sachen Michelin-Sterne. Dafür wird die denkmalgeschützte Stadtschreiberei derzeit aufwendig renoviert und umgebaut, um den beiden, dort geplanten kulinarischen Konzepten – unten Brasserie, oben Fine Dining – den gebührenden Rahmen geben zu können. Bis dahin verdingt sich Nakamura erneut in einer Pop-Up-Version des Salon Rouge im Münchner Werksviertel, besucht aktuell auf kulinarischer Rundreise namens „Tohru on Tour“ Kollegen auf Sylt und Ibiza und steuerte Gerichte zum Geburtstagsmenü zu Ehren von Eckart Witzigmann im Salzburger Gourmet-Restaurant Ikarus bei, wo sich mit Jan Hartwig, Martin Fauster und Matthias Hahn im Übrigen auch weitere aktuelle und ehemalige Protagonisten der Münchner Spitzengastronomie zum 80. Jubiläum des Jahrhundertkochs einfanden.
Das kulinarische Karussell dreht sich weiter
Und so schließt sich der Kreis und das kulinarische Karussell Münchens dreht sich weiter. So wie damals schon, als „Revoluzzer“ Witzigmann beim Einkauf auf dem Viktualienmarkt noch schräg angeschaut wurde. Manch eine der Verkäuferinnen hielt den späteren Drei-Sternekoch – der erste überhaupt außerhalb Frankreichs – damals noch für einen „G´spinnerten", der mit dem ungenießbaren Kraut Estragon kochte: „Ich habe in den 70ern Bärlauch im Englischen Garten gepflückt und im Tantris einen Kräutergarten angelegt, weil ich keinen Estragon auf dem Markt bekommen habe – das galt ja geradezu als „giftig“ damals“, sagt der „Koch der Könige und Götter“ (New York Times) vor einigen Jahren im Interview mit newfoodcity.de."Wo geht die kulinarische Reise hin?" - scheint sich auch Eckart Witzigmann zu fragen
Nun geht wieder ein Ruck durch die kulinarische Landschaft Münchens. Es bleibt also spannend und die aktuellen Entwicklungen in Münchens Gastroszene sind trotz und wegen der Corona-Krise Chance und Herausforderung zugleich. So will das Tantris mit frischem Wind auch in den kommenden 50 Jahren kulinarische Einflüsse geltend machen, den vergleichsweise jungen Spitzenköchen Jan Hartwig und Tohru Nakamura winkt aufgrund ihres Fleißes und Talents ohnehin eine große Zukunft und auch Alfons Schuhbeck glaubt, letztlich wieder auf die Beine zu kommen. Er fürchtet aber, dass es seine 50 Mitarbeiter härter treffen wird. Das verwundert aber auch nicht unbedingt, schließlich haben diese weder einen Gewürzhandel, noch TV- oder Bayern München-Engagements vorzuweisen und in der Vergangenheit auch keine lukrativen Werbedeals mit Fastfood-Ketten abschließen können.