Die Geschichte des Abnehmens ist über 2000 Jahre alt und voller Skurrilität. Schon 400 vor Christus empfahl der Arzt Hippokrates schwerfälligen Olympioniken gegen überschüssige Pfunde lange Läufe und das Auslösen von Erbrechen. Außerdem sollten die Sportler auf einem möglichst harten Bett schlafen. Doch wer dachte, kein Problem für mich, dann lege ich mich auf meine Frau – Pustekuchen, denn Sex war auch schwer verboten! Da war Hippokrates wohl nicht ganz up to date: Offensichtlich wusste er nicht, dass allein ein leidenschaftlicher Kuss schon 20 Kalorien pro Minute verbraucht. Das heißt, in einer Stunde kann man schon 1200 Kalorien wegknutschen. Vorausgesetzt man bekommt dabei keine Kiefersperre…
Seit Hippokrates sind viele Strategien im Kampf gegen das Körpergewicht hinzugekommen. Einige der schrägsten Methoden habe ich hier in einer kleinen Geschichte der Diäten zusammengetragen.
Die Trink-Diät
Wilhelm der Eroberer (1027-1087) muss so dick gewesen sein, dass er im Jahr 1066 beschloss, vor seiner Invasion in Frankreich nochmal kräftig abzuspecken. Schließlich will man ja Eindruck machen bei der französischen Damenwelt, vor allem wenn man vorher ihre Männer umgebracht hat. Deswegen hat er eine strenge Fastenkur eingelegt. Seinen bestialischen Hunger soll er mit Unmengen von Wein betäubt haben. Diese Idee wurde fast 900 Jahre später von Gardener Jameson aufgegriffen. Der Amerikaner suchte eine Methode um Gewicht zu verlieren, die ein „Minimum an Willensstärke“ verlangt. Sein Buch „The Drinking Man’s Diet“ wurde im Jahr 1964 mit 2,4 Millionen Exemplaren in 13 Sprachen zum Verkaufsschlager. Kein Wunder, denn diese Empfehlung liest man gerne: Fleisch, Fisch, Fett – und harte Alkoholika. Klingt nicht nach Diät, sondern eher wie ein Grillfest in Russland. Lediglich Kohlenhydrate sollten nach der Trink-Behandlung gemieden werden.
Doch wie lehrt der Volksmund: In der Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot. Wenn Sie dann nach zwei Jahren intensiver Diät doch wieder zunehmen sollten, ist es aber nicht Ihr Bauch, sondern Ihre Leber, die wächst.
Die Zigaretten-Diät
Was gehört zu einem guten Suff? Richtig, eine ordentliche Dosis Tabak! Denn auch dieses Nachtschattengewächs kann für eine Diät förderlich sein. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts versuchte der große englische Dichter Lord Byron, sein romantisches Idealgewicht zu erreichen, indem er jede Menge Kautabak konsumierte, um den Hunger zu unterdrücken. Hundert Jahre später bewarb dann Lucky Strike seine Kippen mit „Reach for a Lucky instead of a sweet!“ Frei übersetzt: Lieber den Glimmstängel im Gesicht als einen Dauerlutscher.Kritiker weisen natürlich mit einer gewissen Berechtigung darauf hin, dass das Rauchen auch nicht viel gesünder als eine schwere Adipositas sei. Richtig, aber man macht beim Herzinfarkt einfach eine viel bessere Figur.
Die Bandwurm-Diät
Im nächsten Jahrhundert folgte jedoch wieder eine Phase der Entbehrung und der körperlichen Pein. In den 1950ern wurden Dicke in große Schwitzkästen gesteckt und bei 50 Grad für mindestens 20 Minuten langsam gegart. Alternativ setzte man auf pure Gewalt. So versuchten einige Hartgesottene, sich ihre überschüssigen Pfunde wegmassieren zu lassen. Die Fettlappen sollten quasi unter der Haut einfach zerdrückt werden. Es muss sich wie auf der Streckbank der heiligen Inquisition angefühlt haben, nur dass während der Behandlung keine Fragen gestellt wurden.Andere griffen zu noch bestialischeren Methoden. Ein Beispiel ist die berühmte Sopranistin Maria Callas (1923 – 1977). Sie hat offensichtlich nicht nur der Operette, sondern auch der Yogurette in vollem Maße gefrönt. Um für ihre Auftritte wieder eine Aida-Figur zu bekommen, soll sich die Diva einen Bandwurm in den Darm eingepflanzt haben lassen. Dieses Tier kann die Länge einer Wagneroper erreichen, denn es bringt einen sagenhaften Hunger mit. Also egal, wie viel man isst, der Wurm frisst das, was man gerade gegessen hat. Ich habe nie verstanden, wie die Logik hinter dieser Methode funktioniert. Wenn der Bandwurm fett und rund in meinem Körper wird, nehme ich doch auch zu. Aber die Menschen verlieren wirklich drastisch an Gewicht, wahrscheinlich wie alle kranken Menschen, die sich mit irgendetwas infiziert haben.
Übrigens: Wenn man in Abnehm-Foren im Internet stöbert, findet man immer noch hier und da Infektionswillige, die nach Bandwurmeierkapseln fragen. Mediziner raten von dieser Wurmkur nachdrücklich ab. So warnt Egbert Tannich, Professor für Parasitologie am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg: „Wenn Sie Eier vom Schweinebandwurm schlucken, schlüpfen daraus Larven, die bis zum Gehirn wandern und dort zu gefährlichen Entzündungen mit Verkalkungen und Krampfanfällen führen können.“ Das wirft natürlich die Frage auf, ob die Larven bei Menschen, die freiwillig Bandwurmeierkapseln schlucken, überhaupt ein Gehirn finden können. Also schluckt man den Bandwurm besser nicht in Eier-Form, sondern im Ganzen und lebend. Das ist ziemlich widerlich. Aber was macht man nicht alles für seine Karriere. Angehende Ex-Schlagerstars können sich so schon mal für das Dschungelcamp aufwärmen.
Die Bibel-Diät
An der Bandwurm-Methode sehen wir, zu welch irrationalen Taten sich Abnehmwillige hinreißen lassen. Doch der Glaube versetzt nun mal Berge, warum also nicht auch Fettpolster. Das dachte sich zumindest der amerikanische Prediger Charlie Shedd. Dieser heilige Mann schrieb 1957 die Speck-weg-Fibel „Pray Your Weight Away“. Der Dämon der Fettleibigkeit kann also durch Bibelzitate, Gebete und Weihwasser ausgetrieben werden. Zu essen gibt es Fisch, Heuschrecken und wilden Honig – im Grunde eben das was auch Jesus gegessen hat. Welcher fromme Christ hat sich noch nicht während seiner Kruzifix-Kontemplation gefragt: Wo hat Christus eigentlich diesen Waschbrettbauch her? Daraufhin öffneten sich die Schleusen des Himmels und eine Flut von Bibel-Diäten brach über Amerika herein wie die Plagen im alten Ägypten. Eine Heerschar von Autoren überschwemmt bis heute das Land mit Titeln wie „Daily Word for Weight Loss“, „The Hallelujah-Diet“ oder „God’s Answer to Fat“. Doch mein absolutes Lieblingswerk ist: „Help Lord – The Devil Wants Me Fat!“ Denn der Kampf gegen die Pfunde ist vor allem ein spiritueller. Er ist das Schlachtfeld Armageddon, wo die Kräfte des Guten gegen die gefallenen Engel der Völlerei kämpfen. Wie jeder Gläubige weiß, ist das zutiefst verderbte Wesen der Dicken dem Herrn ein Gräuel. Die Schwäche des Fleisches muss überwunden werden. Es gibt sogar Diät-Gebets-Clubs, wo man auf den Knien den Herrn anfleht, die Last der Kilos vom sündigen Körper zu nehmen. Wahrscheinlich kann man sich das wie eine Art himmlische Weight-Watcher-Truppe vorstellen.
Die Frage ist nur: Wie geht es weiter? Ziehen fanatische Moslems bald mit einer Koran-Diät nach? Frei dem Motto: Mit der Scharia gegen Fettleibigkeit? Wer nach dem Nutella-Glas greift, verliert seine Finger im Toaster? Osama bin Laden war vielleicht ein Spinner, aber seine Figur war tadellos. Es ist wie so oft: Die Antwort weiß der Himmel!
Philipp Weber ist nicht nur ein hochtalentierter Kabarettist, er ist auch studierter Chemiker. Und mit dieser Doppelbegabung hat er es sich zur Aufgabe gemacht, Verbraucherschutz zur humoristischen Kunstform zu erheben. Denn lange vor Renate Künast hat Philipp Weber die politische Dimension von Essen erkannt. Sein neues Programm „Futter“ (Hier geht es zum Tour-Plan) ist, wie er selber meint, eine satirische Magenspiegelung der Gesellschaft. Da er nach seinen Vorstellungen immer wieder von Zuschauern angesprochen wurde, begann er, seine aktuellen Beobachtungen zum Thema Essen in seinem "Futterblog" zu dokumentieren.