Die Nutrigenomik ist ein neuer Wissenschaftszweig, der die Zusammenhänge zwischen Nahrung, Essverhalten und Erbanlagen untersucht. Dabei zielt die interdisziplinäre Forschung darauf ab, Nahrungsmittel zu entwickeln, die eine vorbeugende Wirkung haben.
Nutrigenomik: Kleiner Unterschied, große Wirkung
Wissenschaftler erhoffen sich davon nicht nur eine Waffe im Kampf gegen Volksleiden wie Herzinfarkt, Adipositas oder das metabolische Syndrom. Vielmehr träumen die Forscher schon heute von einer maßgeschneiderten Ernährung. Und das, obwohl 99 Prozent des menschlichen Genoms (Erbanlagen) identisch sind. Der vermeintlich geringe Unterschied könnte jedoch groß genug sein, dass wir Nahrungsmittel unterschiedlich gut vertragen.
Das Musterbeispiel dieser Fachrichtung ist die Laktoseintoleranz. Während über 95 Prozent der Weltbevölkerung den Milchzucker (Laktose) im Erwachsenenalter nur schlecht vertragen, hat sich in Europa eine Mutation durchgesetzt. Etwa 15 Prozent der Europäer haben sich im Laufe der Jahrhunderte an die milchreiche Ernährung angepasst und bilden auch als Erwachsene noch das Enzym Laktase. Alle übrigen Menschen leiden früher oder später in ihrem Leben an einer Unverträglichkeit gegenüber Milchprodukten. Typische Symptome dafür sind Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall. Dabei können die Symptome unterschiedlich stark ausgeprägt sein, sodass eine latente Unverträglichkeit häufig erst spät oder gar nicht erkannt wird.
Es gibt aber mittlerweile auch andere Untersuchungen, die den Verdacht nahe legen, dass es keine allgemeingültige Ernährungsempfehlung für alle Menschen gibt. Die vielgelobte Mittelmeerdiät mit reichlich Olivenöl zeigt beispielsweise eine positive Wirkung bei Griechinnen. Bei Nordeuropäerinnen blieb die gleiche Ernährungsweise hingegen ohne Effekt.
Daraus lassen sich zwei Überlegungen ableiten:
1) Ernährung ist wesentlich individueller als wir bisher angenommen haben. Während der eine bestimmte Lebensmittel in großen Mengen in sich hinein schaufelt ohne zuzunehmen, führt die gleiche Ernährungsweise bei anderen unmittelbar zu Schreckenserlebnissen auf der Waage.
2) Verstünden wir die Zusammenhänge von Ernährung und Genetik besser, könnten wir unsere Ernährung individuell steuern und würden so leistungsfähiger. Das ist vor allem für Sportler ein entscheidender Vorteil. Es gibt beispielsweise die Vermutung, dass Menschen aus südlichen Breiten Kohlenhydrate besser verstoffwechseln können als Menschen aus dem Norden. Dafür spielt in kältere Regionen der Fettstoffwechsel eine entscheidendere Rolle.
Fazit: Nutrigenomik oder Ahnenforschung
Wohlgemerkt geht es dabei nicht darum, wo jemand zurzeit wohnt oder in welchen Breiten er sich die meiste Zeit des Jahres aufhält. Vielmehr scheint es relevant zu sein, von wo die Vorfahren stammen. Um die für einen am besten geeignete Ernährung zu finden, sollte man möglicherweise erstmal Ahnenforschung betreiben, denn obwohl das menschliche Genom mittlerweile entschlüsselt ist, geben uns unsere Gene immer noch genug Rätsel auf, die wir bisher noch nicht lösen können.
Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass wir in naher Zukunft mittels Genanalyse beispielsweise für Sportler den optimalen Treibstoff ermitteln können. Bis dahin – oder selbst dann – sollten wir uns möglichst ausgewogen und abwechslungsreiche ernähren und dürfen die Lust am Essen nicht aus den Augen verlieren. Nahrung dient schließlich nicht nur dazu, irgendwelche Speicher aufzufüllen, sondern ist auch eine kulturelle Errungenschaft. Oder?