Klar, dass Frank auch beim hochrangig besetztem Rheingau Gourmet und Wein Festival eine gute Figur macht. In seinem Menü dort wie auch in seinem Restaurant bietet er für die Sterneküche gänzlich untypische Zutaten wie Kesselfleisch anstelle von Jakobsmuscheln, würzt mit einem Jahr in der Salzkruste gereiftem Sellerie und serviert Stör in Entenfond. Aufrüttelnd und dennoch eingängig. Wir haben mit dem Spitzenkoch über seine innovativen Ideen gesprochen.
worlds of food: Sebastian, haben Sie als Österreicher, der sich in Berlin zwei Michelin-Sterne erkocht hat und nun beim Rheingau Gourmet Festival für Furore sorgt, eine Idee, warum so viele Köche aus Ihrem Heimatland in der Fremde erfolgreich sind? Eckart Witzigmann, Wolfgang Puck oder Markus Glocker – um nur einige zu nennen…
Sebastian Frank: Natürlich gibt es in Österreich viele gute Köche, ich denke das liegt an der Tradition unserer Küche und der damit verbundenen Qualität der Ausbildung bei uns. Hinzu kommt aber auch die besondere Wahrnehmung. Im Ausland sorgt das natürlich für mehr Anerkennung und fällt mehr auf, wenn jemand von woanders stammt.
worlds of food: Sie sind nun zum zweiten Mal beim Rheingau Gourmet und Wein Festival dabei, durften neulich auf der „Madridfusion“ über Ihre Küche referieren. Wie wichtig sind solche Gastauftritte für Spitzenköche heutzutage?
Sebastian Frank: Ich kann nicht genau sagen, wann der Punkt kam, an dem gut kochen alleine nicht mehr gereicht hat. Medien, Kritiken und alles was sonst noch dazu gehört verändert heute viel. Dadurch kann man rasch vom regionalen zum internationalen Gesprächsthema werden. Ich glaube aber nicht, dass es zwingend notwendig ist, ich koche lieber. Aber ein Nachteil ist es definitiv nicht, wenn man diese Möglichkeiten mit Bedacht ausnutzt.
Sebastian Frank in der Küche des Hattenheimer Kronenschlösschens beim Rheingau Gourmet und Wein Festival
worlds of food: Genau wie die zahlreichen Auszeichnungen, die Sie erhalten haben…
Sebastian Frank: Das stimmt, allerdings ist es mir ungemein wichtig, die Bedeutung dieser Auszeichnungen zu reflektieren. Wer kann schon festlegen, wer der beste Koch Europas oder wer der Koch des Jahres ist? Böse sind wir aber nicht, wenn wir diese Auszeichnungen erhalten und ein bisschen kochen können muss man schon auch dafür (lacht).
worlds of food: Was waren Ihre wichtigsten Stationen auf dem Weg zu diesen Auszeichnungen?
Sebastian Frank: Sicherlich das „Steirereck“ bei Heinz Reitbauer in Wien und das Hotel Interalpen Tyrol, in dem ich drei Jahre lang Sous Chef war. Diese beiden Stationen haben mich kochtechnisch so weit gebracht, dass sie noch heute Auswirkungen auf meine Küche und Karriere haben. Gerade auch im Steirereck hat man uns jungen Köchen damals ausgiebig die Möglichkeit gegeben, uns kreativ einzubringen – auch wenn ich mich heute wundere, auf welch schräge Ideen wir damals kamen. Im Prinzip aber hat genau dieser Freiraum mein Feuer geweckt, wirklich enthusiastisch dabei zu bleiben, mich der gehobenen Küche zu widmen.
worlds of food: An diesem Feuer haben sich aber auch mal die Finger verbrannt, Ihre erste Stelle als Küchenchef war nur von kurzer Dauer…
Sebastian Frank: In der Tat, das hat das Schicksal für mich erledigt, der Laden ist nach fünf Monaten Pleite gegangen. Aber selbst das hatte sein Gutes, schließlich habe ich daraus gelernt, nicht jeden Knochen ohne nachzudenken zu nehmen, der einem hingeworfen wird. Ein Satz, den mir Heinz Reitbauer mit auf den Weg gegeben hat. Ich war auch noch zu jung damals, vor fast 15 Jahren, das hatte weder Hand noch Fuß zu dieser Zeit. In der Folge aber habe ich es besser gemacht, habe als Küchenchef im Horváth gelernt, einen eigenen Antrieb zu entwickeln, mich stetig zu verbessern. Das muss dann auch aus einem selbst kommen, es nimmt einen in dieser Position ja keiner mehr bei der Hand und sagt, wie man etwas besser machen kann.
Derk Hoberg (re.) traf im Rheingau einen gut gelaunten Sebastian Frank zum Interview
worlds of food: Über Ihre Küche liest man, sie sei „semivegetarisch“ oder auch „emanzipatorisch“, was die Gleichberechtigung von Gemüse und Fleisch angeht. Wie würden Sie sie selbst bezeichnen?
Sebastian Frank: Der zweite Begriff trifft es am ehesten, auch wenn das natürlich ein sehr bedeutungsschwangerer Begriff ist in diesem Zusammenhang. Keine Angst, ich will kein Manifest ausrufen (lacht). Man hört ja auch immer wieder den Satz „das Produkt steht im Zentrum meiner Küche“. Ich weiß zum Beispiel gar nicht, ob das bei mir noch zutrifft, schließlich serviere ich Dinge, die zwar geschmacklich klar dem Produkt zugeordnet werden können, in ihrer Form aber nichts mehr mit diesem gemein haben. Ich würde meine Herangehensweise deshalb so beschreiben, dass ich intensiv die Möglichkeiten auslote, mit welchen Mitteln ich besondere, bisher unbekannte Aromenspiele schaffen kann.
worlds of food: Wie nah bewegen Sie sich dabei an der sogenannten Molekularküche?
Sebastian Frank: Ganz wenig bis überhaupt nicht. Vielmehr bin ich da an den Wurzeln der wienerischen, niederösterreichischen bis ungarischen Küche, mit der ich groß geworden bin und die viel mehr als Wiener Schnitzel und Tafelspitz zu bieten hat. Die wenigsten wissen das, was mir wiederum auch zum Vorteil wird, wenn ich damit zu experimentieren beginne. So entwickele ich aus meinen Erinnerungen daran Gerichte, oder eben Aromenspiele, die so hoffentlich noch nicht dagewesen sind, obwohl sie traditionellen Ursprungs sind.
Ein Gericht ause dem Horváth in Berlin
worlds of food: Um ein paar aktuelle Beispiele zu nennen: Sie experimentieren derzeit mit Pflanzenextrakten. Wofür wollen Sie diese verwenden?
Sebastian Frank: Das ist ein relativ neues Projekt. Wir versuchen seit etwa einem Jahr, per Dampfdestillation Öle aus verschiedenen Pflanzen zu extrahieren. Der Dampf durchdringt im Endeffekt die Pflanzenteile und löst die darin enthaltenen wasserlöslichen Aromen und auch die Öl-Partikel heraus. Diese werden in einen Kolben transportiert, sie sammeln sich dort und kühlen ab und kondensieren. Nach einigen Tagen setzt sich das Öl oben ab und man kann es abschöpfen. Das eigentliche Abfallprodukt, das Pflanzenwasser, ist für mich interessant, es enthält sämtliche wasserlöslichen Aromen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist Rosenwasser, was eigentlich ein Abfallprodukt der Rosenölgewinnung ist.
worlds of food: Was wollen Sie damit anstellen?
Sebastian Frank: Wir können das Pflanzenwasser zum Beispiel als nichtalkoholische Getränke-Begleitung zum Menü verwenden – der Vorteil ist, dass diese natürlich nicht so stark sättigen, wie herkömmliche Säfte und dennoch ein sehr intensives Aroma haben. Aber natürlich will ich diese Aromen auch direkt ins Menü mit einfließen lassen. Gerade habe ich übrigens Nussbaumholz destilliert und dieses Extrakt wird sich wohl als erstes dann auch auf der Speisekarte wiederfinden. Ich möchte damit einen Nussstrudel neben dem Nussaroma um jenes des Nussholzes erweitern.
worlds of food: „Sellerie – Reif und Jung“ ist ein weiteres spannendes Gericht aus Ihrer Feder. Wie kommt man auf die Idee, Sellerie im Salzteig reifen zu lassen?
Sebastian Frank: Die Zubereitungsmethode von Gemüse im Salzteig ist ja an sich nichts Neues. Wie ich allerdings auf die Idee gekommen, einen Sellerie mal ein paar Monate liegen zu lassen, kann ich gar nicht genau sagen. Es hat dann aber immer noch drei Jahre gedauert, bis wir das fertige Produkt entwickelt haben. Beim Reifen haben wir festgestellt, dass das Salz dem Sellerie Wasser entzieht und sich dieses unten im Salzteig sammelt. Also begannen wir, den im Salz gebackenen Sellerie während des Reifens zu wenden, damit die feuchten Stellen immer wieder austrocknen konnten. Nach drei Monaten haben wir den Teig aufgebrochen, der Sellerie war um 50 Prozent kleiner und hatte eine Viskosität wie ein reifer Käse und war intensiver im Aroma. Wir haben dies zunächst in dünne Scheiben geschnitten und als vegetarischen Schinken mit Selleriesaat als kleine Vorspeise gereicht. Das war schon toll, aber noch nicht das Ende der Fahnenstange.
Oben links: Eine frische Sellerieknolle. Unten: Ein Jahr lang im Salzteig gereifter Sellerie
worlds of food: Ihr Sellerie reift ein ganzes Jahr lang im Salzteig…
Sebastian Frank: Wir haben ihn bei den nächsten Versuchen dann sieben Monate reifen lassen. Der Sellerie hatte dann eine Konsistenz wie ein Hartkäse, wie Pecorino oder Parmesan, und wir konnten ihn schon reiben. Bei dem einjährigen Sellerie hat uns das Ergebnis am besten gefallen und ich habe mir das angesprochene Gericht „Sellerie – Reif und Jung“ dazu überlegt, bei dem wir das ungemein aromatische Überbleibsel des Selleries dann wie ein Trüffel darüber reiben. Dann erst haben wir so richtig mit der Produktion begonnen und inzwischen lagern genug davon bei uns im Keller des Horváths. Pro Woche verbrauche ich etwa drei Stück und manche Gäste wollten mir sogar schon eine solche Sellerieknolle ankaufen.
worlds of food: Man gewinnt den Eindruck, es geht Ihnen immer um die Essenz aus den Produkten, darum, das Wesentliche aus ihnen herauszukitzeln…
Sebastian Frank: Absolut, wobei es mich bei diesem Prozess auch immer ein wenig Mut kostet, Gerichte wie das Kesselfleisch, in dem wir die Sehnen aus Kalbsfüßen oder weichgekochte Hühnchenhaut finden, auf die Karte eines Zwei-Sterne-Restaurants zu setzen. Aromatisch ist es aber umwerfend, deshalb habe ich heute auch das nötige Selbstbewusstsein, das zu servieren. Wenn ich solch ein Gericht im Kopf habe, frage ich mich zunächst, welcher Aspekt der wichtigste daran ist, was die Essenz ist. Danach mache ich mich auf die Suche, wie ich diese transportiere – und zwar anders zubereitet als gewohnt, aber unbedingt im Aroma wiedererkennbar. Dieser Prozess ist nicht immer einfach und dennoch habe ich manchen Code so schon geknackt. An anderen Gerichten arbeite ich noch.
Weitere Informationen zu Sebastian Frank: www.restaurant-horvath.de
Hintergrund: Rheingau Gourmet & Wein Festival
Das Rheingau Gourmet & Wein Festival ist eines der bedeutendsten kulinarischen Ereignisse der Welt. Vom 22. Februar bis zum 11. März 2018 präsentieren zum 22. Mal weltbekannte Spitzenköche ihre raffinierten kulinarischen Köstlichkeiten im Hattenheimer Hotel Kronenschlösschen. Spitzenwinzer sorgen bei jeder Veranstaltung persönlich für die ideale Weinbegleitung. Jährlich zieht das Festival rund 6500 Feinschmecker aus aller Welt an 18 Tagen an. Mehr zum Menü von Sebastian Frank lesen Sie bei den Kollegen des kulinarischen Magazins BISS
Informationen und Karten gibt es unter +49 (0) 6723 640, per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! oder unter www.rheingau-gourmet-festival.de