Die Bezeichnung Spätlese entstand 1775 im Rheingau. Die Weingüter mussten damals noch die Leseerlaubnis von ihren Gemeinden einholen. Eine Ausnahme bildete jedoch das Schlossgut Johannisberg. Schloss Johannisbergs Domänenverwalter Christian Witte erklärt im Video, wie das Prozedere auf dem Johannisberg war, durch welchen Zufall die Spätlese entdeckt wurde und wie aus der Not eine wohlschmeckende Tugend gemacht wurde:
Die Entdeckung der Spätlese
Die Johannisberger Mönche mussten im 18. Jahrhundert die Erlaubnis zur Weinlese direkt vom Fuldaer Fürstbischof, dem die Weinberge und das Schloss gehörten, einholen. Sie schickten deshalb einen berittenen Boten nach Fulda, doch im Jahr 1775 verzögerte sich die Rückkehr des Boten aus unbekannten Gründen um etwa zwei Wochen. Die Trauben waren unterdessen von der Grauschimmelfäule (Botrytis cinerea) befallen. Obwohl sie die Ernte für verloren hielten, ernteten die Mönche die Trauben dennoch und kelterten sie, um nicht mit ganz leeren Händen, oder besser gesagt leeren Fässern, da zu stehen. Als sie im folgenden Frühjahr den jungen Wein verkosteten, waren sie von dessen Qualität überrascht. Von da an wurde beschlossen, in jedem Jahr die Lese möglichst weit hinaus zu zögern. Die Bezeichnung Spätlese wurde daraufhin für besonders hochwertige Weine üblich.
Welcher Wein darf sich Spätlese nennen?
In Deutschland müssen Qualitätsweine mit dem Prädikat Spätlese unter anderem folgende gesetzlich festgelegte Qualitätsnormen erfüllen (seit 1971): Die Trauben dürfen erst nach der allgemeinen Lese gelesen werden. Darüber hinaus müssen die Trauben einen Mindestwert beim Mostgewicht überschreiten: Im Allgemeinen sind das 85° Oechsle, jedoch variiert diese Anforderung je nach Anbaugebiet und Rebsorte. Nach dem deutschen Weingesetz ist die Anreicherung mit Zucker bei allen Qualitätsweinen mit Prädikat, zu denen auch die Spätlese gehört, grundsätzlich verboten.