Ha, das ist guter Start. Wie wäre es mit dieser Frage: Gaggan, was ist Dein Lieblingsessen aus Deutschland? Die Antwort gebe ich auch gleich: Currywurst. (lacht) Das servieren meine deutschen Freunde, die Sühring-Zwillinge, ja auch hier in Bangkok.
Auf Instagram hast du zu deinem Geburtstag einmal ein Foto mit dem Kommentar „Warum benehme ich mich wie ein 18-Jähriger, obwohl ich 44 bin?“ gepostet. Wie lautet denn die Antwort auf diese Frage?
Ich denke, weil ich 18 Jahre alt bin, so lange ich lebe. Zumindest wünsche ich mir das. Mein Körper ist jetzt zwar 46, mein Geist soll aber so frisch bleiben, wie er mit 18 war. Mit 18 war ich voller Energie, da hätte ich Dir sofort nach dem Dinner das Interview gegeben. So musste ich Dich jetzt aber um ein paar Minuten Verschnaufpause bitten.
Jetzt hat das Restaurant nach früheren Erfolgen und einigen Tiefen wie der Pandemie endlich wieder in vollem Umfang geöffnet. Verfolgst du weiterhin die Idee der Progressive Indian Cuisine, also die indische Küche moderner zu präsentieren?
Ja, das soll in der „Ultimativen indischen Küche“ münden. (lacht) Chatpata beinhaltet in der indischen Küche die vier S-Philosophie: Süß, salzig, Sauer und Scharf. Und wir erweitern das ja sogar noch um ein fünftes S, die Surprise. (Anm. d. Red.: übersetzt: Überraschung) Das alles gibt es also in jedem Bissen und das ist das, was wir den Gästen hier servieren.
In einem explosiven 20-Gänge-Menü, das überwiegend mit den Händen verspeist wird und in der Showküche – gewissermaßen eure Bühne – bei lauter Rockmusik von DJ Gaggan Anand angerichtet wird, zeigt ihr euer ganzes Können. Wie oft änderst du das Menü ungefähr?
Etwa alle drei Monate, aber nicht vollständig. Enige Evergreens bleiben auf der Karte, so um die 70 Prozent wechseln wir durch. Das Menü wird dabei immer wieder von meiner Freundin inspiriert. Ich erzähle ihr dann von einer Zutat, um die herum ich ein Gericht entwickeln möchte. Sie war früher auch Köchin und hat ein tolles Verständnis für das Zusammenspiel von Aromen. Sie liefert mir dann ihre Lieblingszutaten, meist perfekt harmonierende Ideen für den weiteren Prozess.
Ihr kocht ja wie angesprochen nicht einfach nur, sondern performt regelrecht in der Küche und zum Rock-Konzert fehlt eigentlich nur noch das Stage Diving. Wie schwer ist es, ein passendes Team dafür auf die Beine zu stellen?
Das stimmt, das Kochen ist dabei eher der einfachere Part, obwohl unsere Gerichte allesamt recht komplex sind. Die Performance beim Anrichten ist aber auch nicht so einfach. Ich suche also immer Köche, die kreativ und verrückt sind. Eben solche, die wie ich den Willen zum Wahnsinn mitbringen und ich arbeite mit vielen Teammitgliedern ja auch schon lange zusammen. Der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist nun mal ein schmaler, das ist ja bekannt. Ich für meinen Teil gebe mir jedenfalls alle Mühe, meinen kreativen Aberwitz hier einzubringen.
Typisches Team-Foto nach dem Service - Gaggan Anand und seine Mannschaft
Deine Zeit im legendären El Bulli hat auch die Molekularküche, diese eher wissenschaftliche Art des Kochens, in deinem Schaffen verankert. Ist diese nicht das komplett Gegenteil zu deiner herzlichen, lebensfrohen Art und dem, was man gemeinhin als Soulkitchen bezeichnet?
Wissenschaftlich gesehen ja, aber ich versuche das auch menschlich zu interpretieren und ich spiele das eher minimalistisch. Ich arbeite nur mit diesen Arten der Zubereitung, wenn ich es für ein Gericht unbedingt notwendig finde.
Wer im Gaggan Anand einen Tisch bucht, bekommt vorab einen kleinen Fragebogen zu Beantwortung. Was hat es damit auf sich?
Das machen wir, um die Vorlieben unserer Gäste zu verstehen. Wir fragen dabei aber auch nach peinlichen Momenten unserer Gäste. Jeder der kommt, soll die Hosen ein bisschen voll haben, dass diese dann zur Sprache kommen. (lacht) Da kommen manchmal schon sehr schräge Geschichten ans Licht, zum Teil erzählen wir diese dann tatsächlich beim jeweiligen Dinner – aber nur, wenn sie verrückt genug sind.
Was ist wahrer Luxus für Dich?
Nun, ich lebe jetzt mit meiner Freundin zusammen, ich habe alles, was ich brauche. Bei meiner Scheidung habe ich damals alles verloren, was ich hatte. Ich fuhr nur mit meinem Auto und dem was ich am Leib trug davon. Aber ich habe nicht aufgegeben. Wir sind Rock´n´Roll Guys. Als Nirvana starb, kamen die Foo Fighters. Die feiern dieses Jahr 30-jähriges Jubiläum. Ich habe jetzt die Liebe meines Lebens gefunden, ein tolles Team und bin für die Zukunft gerüstet.
Gaggan, vielen Dank für das unterhaltsame Gespräch!
Zur Person: Gaggan Anand
Gaggan Anand (geb. am 2. Mai 1977) entwickelte schon früh eine Leidenschaft für das Kochen, inspiriert von den traditionellen indischen Gerichten seiner Großmutter in seiner Heimat Kolkata, Indien. Seine kulinarische Reise begann offiziell, als er einen Abschluss in Hotelmanagement am Institute of Hotel Management in Kolkata absolvierte. Anschließend setzte er seine kulinarische Ausbildung am Culinary Institute of America in Hyde Park, im US-Bundesstaat New York, fort.Einblick in Gaggan Anands kulinarische Welt: "Lick it up" - das Gericht wird vom Teller geleckt.
Nachdem er nach seiner Rückkehr nach Indien ein erfolgreiches Catering-Unternehmen aufgebaut hatte, kam Gaggan 2007 nach Bangkok, wo er zunächst als Berater tätig werden sollte, um Kunden bei der Eröffnung eines neuen Restaurants zu unterstützen. Stattdessen verliebte sich Gaggan unerwartet in Thailand und beschloss, Bangkok zu seinem Zuhause zu machen. Er eröffnete das gefeierte indische Fine-Dining-Restaurant Red und arbeitete später in der Testküche des El Bulli (Katalonien/Spanien), das seinerzeit als das beste Restaurant der Welt galt, unter dem legendären Küchenchef Ferran Adria – eine Erfahrung, die sein Verständnis für kulinarische Techniken auf ein neues Niveau gehoben hat.
Im Jahr 2010 eröffnete Gaggan Anand sein Restaurant Gaggan in Bangkok, in dem er eine „progressive indische Küche“ anbot, die sowohl Techniken der Molekularküche als auch thailändische und japanische Einflüsse und Zutaten beinhaltete. Das Restaurant erlangte schnell internationale Anerkennung und prestigeträchtige Auszeichnungen, darunter zwei Michelin-Sterne, die seine Position unter den Spitzenrestaurants weltweit festigten. Vor seiner Schließung im Jahr 2019 wurde das Gaggan von The World's 50 Best Restaurants vier Jahre in Folge zum besten Restaurant Asiens gekürt. 2023 eröffnete das Gaggan in Bangkok an neuem Standort wieder.
Über den kulinarischen Bereich hinaus erstreckt sich Gaggan Anands Einfluss auch auf sein Engagement für die Förderung kulinarischer Talente. Im Herzen ein Rockmusiker, besitzt er einen kollaborativen Geist und ist Mentor zahlreicher Köche, die sich in der kulinarischen Welt in Bangkok und darüber hinaus einen Namen gemacht haben. Zu den bemerkenswerten Kooperationen gehören Partnerschaften mit kulinarischen Koryphäen wie Ms. Maria & Mr. Singh und das Sühring, das von den deutschen Zwillingen Thomas Matthias Sühring betrieben wird. Anands jüngste Zusammenarbeit, Gaggan at Louis Vuitton, ermöglicht es den Gästen, die Schnittmenge zwischen Essen und Mode auf höchstem Niveau zu erleben.
Gaggan Anands kulinarischer Stil zeichnet sich durch einen avantgardistischen Ansatz aus, der traditionelle indische Aromen mit modernen, innovativen Techniken, erstklassigen Zutaten und Rock'n'Roll-Flair verbindet.
Alle weiteren Informationen unter: gaggan.com