Ana Roš: Nun, wir haben uns natürlich zunächst ein Menü überlegt, das gut zu den hervorragenden Weinen hier passt. Einige Dinge konnten wir in Slowenien in meinem Restaurant Hiša Franco vorbereiten und mit hierher bringen. Alles andere haben wir dann hier mit dem hervorragenden Team vom Kronenschlösschen zubereitet. Den Fisch zum Beispiel, den konnten wir ja hier erst frisch kaufen.
worlds of food: Erzählen Sie uns doch von Ihrem Menü, dass Sie den Gästen hier im Rheingau serviert haben, inwieweit ähnelt es dem in Ihrem Restaurant Hiša Franko?
Ana Roš: Wir haben einige Winter-Gerichte aus dem Restaurant angeboten und mit zwei komplett neuen für hier entwickelten Gerichten kombiniert. Ab Mitte März 2019 werden wir auch wieder ein neues Menü im Hiša Franko servieren. Das ist aber keine Besonderheit, da wir so eng mit der uns umgebenden Natur und ihren Produkten arbeiten, darauf reagieren und daher stets saisonale Gerichte anbieten.
Ana Roš in der Küche des Hattenheimer Kronenschlösschens
worlds of food: Erzählen Sie uns doch ein wenig über Ihre Heimat Slowenien, es ist ja bekanntlich sehr grün dort…
Ana Roš: Es regnet recht häufig bei uns, das ist natürlich einer der Gründe für das üppige grün in der Natur. Wir denken aber auch sehr grün, niemand würde auf die Idee kommen, Müll oder einen Kaugummi einfach so auf den Boden zu werfen. Das ganze Land beteiligt sich an Aufräumaktionen im Wald und in der übrigen Natur. Laut einer Studie ist Slowenien, nach den skandinavischen Ländern, das sauberste Land der Welt. Diese Verbindung zur Natur spiegelt sich dann auch in meiner Küche wieder. Deshalb servieren wir unser Gericht „In Heu gekochte Kartoffel mit Eigelb und Lamm“ auch auf Heu und nehmen das Thema „grün“ auch dort gerne auf.
worlds of food: Sie haben ja offenbar mehrere Talente in die Wiege gelegt bekommen, waren zunächst Skirennfahrerin, sogar Mitglied der Jugend-Nationalmannschaft Jugoslawiens, standen später kurz vor einer Karriere als Diplomatin. Warum haben Sie sich dann für eine Karriere als Köchin entschieden, die sie heute mit aller Leidenschaft verfolgen?
Ana Roš: Ganz grundsätzlich tue ich nichts ohne Leidenschaft, das hat meine Mutter schon immer gesagt: Alles was sie tut, macht sie mit voller Hingabe. Die Sportkarriere machte aber eine Verletzung zunichte und gerade als ich mein Studium der diplomatischen Wissenschaften beendet hatte, habe ich mich in meinen Mann verliebt, dessen Eltern ein Lokal auf dem Land hatten. Also blieb ich hier, ging nicht nach Brüssel, nicht in ein Büro und kam zufällig zum Kochen. Das war keine bewusste Entscheidung. Ich habe nie davon geträumt, Köchin zu werden, hatte zuvor auch nicht viel für mich selbst gekocht, da ich immer zu viel zu tun hatte und unterwegs war.
worlds of food: Fühlen Sie sich heute, nachdem Sie eine der bekanntesten Sloweninnen sind, dann nicht doch wie eine Diplomatin, wie eine Botschafterin Ihres Landes?
Ana Roš: Wissen Sie, ich bin von der slowenischen Regierung gerade erst zur Tourismus-Botschafterin ernannt worden, ich trage nun also einen offiziellen Titel. Aber ich empfinde das auch tatsächlich so, da meine Arbeit sehr viel mit meiner unmittelbaren Umgebung und mit meiner Heimat Slowenien zu tun hat. Wann immer ich über meine Arbeit spreche, spreche ich zuerst über mein Land. Der Ansatz in meiner Küche ist ja einer der kurzen Wege, der Regionalität. Das aber nicht aus einer aktuellen Mode heraus, sondern ganz einfach, weil es viele mehr oder weniger exotische Produkte lange gar nicht in Slowenien gab – schon gar nicht bei uns in der Region in den Julischen Alpen. Vor 15 Jahren, als ich mit dem Kochen anfing, mussten wir also mit dem auskommen, was die Bauern der Umgebung uns zu bieten hatten. Das ist größtenteils bis heute so. Wenn wir tatsächlich mal was Exotisches benötigen, dann müssen wir das per Express bestellen oder mit dem Linienbus aus Ljubljana liefern lassen.
worlds of food: Das klingt abenteuerlich, zumindest nach heutigen Maßstäben…
Ana Roš: Das war es. Vor allem, weil die Farmer keine Papiere für ihre Tiere hatten. Es war wie auf dem Schwarzmarkt. Inzwischen haben wir aber ein Netzwerk aus über 100 regionalen Lieferanten gebildet, die für uns Tiere züchten, Gemüse anbauen, im Wald frische Pilze suchen und so weiter. Eine tolle Zusammenarbeit in der Region.
Ana Roš bei der Auszeichnung zur "World´s Best Female Chef" 2017 (©World´s 50 Best Restaurants)
worlds of food: Als „beste Köchin der Welt“ des Jahres 2017, sehen Sie sich auch als Botschafterin für andere Frauen?
Ana Roš: Als ich diese Auszeichnung erhielt, fragten mich tatsächlich viele, ob ich sie überhaupt annehmen würde. Ob es nicht unnötig sei, neben einem männlichen Koch des Jahres auch eine Köchin des Jahres zu haben. Ich habe geantwortet: Erstens hat noch kein männlicher Koch jemals einen Preis abgelehnt. Und zweitens ist es für Frauen nie das gleiche wie für Männer, so etwas zu erreichen. Ich habe gerade auf dem Spaziergang durch das Dorf mit meinen Kindern telefoniert, die gerade Ferien haben und in Österreich Skifahren sind. Da habe ich mich auch ein wenig schuldig gefühlt, nicht bei ihnen sein zu können. Andererseits habe ich sie aber auch sehr gut erzogen, will ich meinen, trotz der vielen Arbeit die ich habe. Die Verbindung einer Mutter ist auch immer stärker als die des Vaters zu den Kindern. Eine Mutter ist nun mal eine Mutter, sie ist der engste Bezugspunkt für die Kinder und ich schätze, dass unsere Gesellschaften auch viel zu traditionell sind und auch bleiben werden, als dass sich an dieser Rollenverteilung etwas grundlegend ändern wird. Und das hindert viele Frauen eben auch daran, Karriere zu machen, zumal der Beruf Koch zudem physisch sehr hart ist. Wenn ich also eine Botschafterin für Frauen wäre, dann als lebender Beweis, dass man eine funktionierende Familie haben und trotzdem Karriere machen kann.
worlds of food: Damals gab es sicher jede Menge Interview-Anfragen, hat sich das inzwischen ein wenig gelegt?
Ana Roš: Damals ging es wirklich rund, ja. Ich glaube es waren über 500 bis 600 Interviews, die ich 2017 gegeben habe. Ich bin aber nach wie vor noch viel unterwegs, alleine bei der Kulinarik-Veranstaltung Madrid Fusion habe ich in zwei Tagen 24 Interviews geben müssen. Insgesamt ist es aber weniger geworden, doch. Auch wenn es im vergangenen Jahr sicher auch noch so um die 400 waren.
worlds of food: Das meiste beim Kochen haben Sie sich selbst beigebracht, Sie sind eine waschechte Autodidaktin. Welche Vorteile sehen Sie darin gegenüber Ihren Kollegen mit Kochlehre?
Ana Roš: Das gibt einem Freiheit beim Kochen. Beim Denken, die Freiheit, sich auszudrücken. Wenn man eine klassische Ausbildung gemacht hat, denkt man in fertigen Schubladen, hat die Vorstellungen seines Ausbilders verinnerlicht, liefert vielleicht Ideen von der Stange. Meine Gerichte kommen nur aus meinem Kopf, mehr sogar noch aus meinem Herzen.
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