Nils Henkel: Es handelt sich um einen sehr naturverbundenen Küchenstil, bei dem das Produkt im Vordergrund steht. Dabei arbeite ich gerne mit seltenen Gemüsesorten, selbst gesammelten Kräutern und auch Produkten aus der Region. Ich persönlich verbinde den Begriff aber vor allem mit meiner vorherigen Station, dem Schlosshotel Lerbach. Die Naturverbundenheit bleibt aber auch jetzt auf Burg Schwarzenstein erhalten.
worlds of food: Wie ist die Pure Nature Küche entstanden? Standen hier Aspekte der Nachhaltigkeit im Vordergrund?
Nils Henkel: Das ist größtenteils der Tastsache geschuldet, dass wir in einer Zeit leben, in der Massentierhaltung unser tägliches Brot bestimmt. Erstens ist täglicher Fleischkonsum nicht gesund und zweitens wird diese Art der Tierhaltung irgendwann zum Kollaps führen. Daher war es immer mein Anspruch, mit einer hochwertigen Gemüseküche zu zeigen, dass es auch Alternativen gibt.
Frische Gemüseküche in Perfektion: Rosenkohl mit Kohlsprossen, geräuchertem Frischkäse und Haselnuss
worlds of food: Sie stammen ursprünglich aus dem hohen Norden, sind gebürtiger Kieler, lebten lange in Bergisch Gladbach. Seit Anfang Februar sind Sie nun hier auf der Burg. Wie gefällt es Ihnen denn bisher in der Weinregion Rheingau?
Nils Henkel: Bisher habe ich leider noch nicht so viel erkunden können, die Landschaft ist aber wunderschön und als Koch ist es grundsätzlich ein gutes Gefühl, in einer Weinregion anzukommen. Zwischen den Weinbergen findet man zudem frische Kräuter, es ist also wie für mich gemacht.
worlds of food: Haben Sie den schon Zulieferer für andere Produkte hier in der Region ausfindig machen können?
Nils Henkel: Regionalität war nie ein Dogma in meiner Küche. Bei den Hauptprodukten sehe ich allerdings schon zu, dass sie aus der Region stammen. Viele Gewürze sowie andere spannende und exotische Produkte gibt es aber in Deutschland nun mal nicht, weshalb wir da auch über die Grenzen hinweg blicken. Bisher greife ich aber noch größtenteils auf meine früheren Lieferanten zurück, mit Ausnahme eines Geflügelzüchters hier aus Südhessen. Wenn die Produkte eine hohe Qualität haben, bevorzuge ich aber immer die aus der Region.
worlds of food: Das Ehepaar Teigelkamp als Betreiber der Burg Schwarzenstein erwartet laut eigener Aussage, dass die gesamte Region in kulinarischer Hinsicht von ihrer Arbeit hier profitiert. Sind das zu viele der Vorschusslorbeeren oder sehen Sie sich auch als Hoffnungsträger?
Nils Henkel: Nun, was heißt schon Hoffnungsträger – für mich ist es einfach schön, nach zwei Jahren als Freiberufler wieder ein Team in einem Restaurant zu haben und Gas geben zu können. Wir sind vom ersten Tag an auf einem hohen Niveau gestartet, wollen das Haus auch ein Stück weit bekannter in Deutschland machen. Das würde dann eben auch dazu beitragen, den Rheingau kulinarisch bekannter zu machen.
worlds of food: Wurde denn eine bestimmte Zielsetzung an Sie herangetragen?
Nils Henkel: In erster Linie geht es wie gesagt darum, das Haus weiter nach vorn zu bringen. Und bisher wurde das Restaurant Schwarzenstein ja auch schon sehr gut bewertet, aber auch hier sollte nach Möglichkeit nochmal eins draufgesetzt werden. Und für mich persönlich kann es ja nur der Anspruch sein, an das heranzukommen, was ich zuvor in Lerbach erreicht hatte (Nils Henkel hielt dort zwei Michelin Sterne, Anm. d. Red.). Damit wären dann auch die Ziele fürs Haus erreicht – jedoch kann man solche Bewertungen ja auch nicht wirklich planen. Da gehört ein tolles Team dazu und auch die sonstigen Rahmenbedingungen müssen passen. Und diese Voraussetzungen sind schon optimal.
Intime Atmosphäre für Genießer: Gerade einmal 20 Plätze hat das Gourmetrestaurant Schwarzenstein
worlds of food: Haben Sie denn das bisherige Team von Burg Schwarzenstein übernommen wie es war?Nils Henkel: Ja, wir haben alle übernommen und die komplette Mannschaft freut sich, auf die neue Herausforderung. Zusätzlich habe ich noch ein paar Mitarbeiter mitgebracht, mit denen ich bereits früher gearbeitet habe. Das ist enorm hilfreich, dass es Teammitglieder gibt, die bereits wissen, wie ich arbeite und worauf ich Wert lege. Gerade zu Beginn fällt so viel Arbeit nebenher an – seien es Interviews wie dieses oder aber die ganze Büroarbeit – dass ich gar nicht die ganze Zeit in der Küche sein kann.
worlds of food: Nachdem das Schlosshotel Lerbach und das zugehörige Gourmetrestaurant geschlossen wurden, waren Sie kurzzeitig arbeitslos. Paradox, wo doch heute händeringend Kräfte in der Gastronomie gesucht werden. Das war allerdings Ihrem kulinarischen Niveau geschuldet…
Nils Henkel: Ich galt deshalb als schwer vermittelbar. Auf dem Amt sah man nur, dass ich Koch bin und so gab es einige Vermittlungsvorschläge und Stellenangebote, die einfach nicht gepasst haben. Nachdem ein geplantes Engagement in Hamburg dann aufgrund einer Immobilie scheiterte, habe ich mich kurzerhand selbständig gemacht. Das funktionierte nach einer kurzen Eingewöhnungsphase sehr gut, aber die Arbeit in einem Restaurant und mit einem Team hat mir immer gefehlt. Dennoch konnte ich in dieser Zeit sehr viele Erfahrungen sammeln, ich lernte, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen.
worlds of food: Jetzt, wo Sie die Branche aus verschiedenen Perspektiven kennen, wie sehen Sie denn die Zukunft der gehobenen Gastronomie?
Nils Henkel: Es wird schwieriger werden, als Restaurant zu bestehen. Es gibt immer mehr gehobene Restaurants, aber nicht genug Gäste dafür in meinen Augen.
worlds of food: Ist das wirklich so? Man hat den Eindruck, dass sich immer mehr Menschen für die gehobene Küche, für gutes Essen interessieren. Nehmen wir nur die Netflix-Serie Chef’s Table oder andere erfolgreiche Kochshows. René Redzepi sagte uns neulich sogar, Köche könnten in Zukunft die neuen Ronaldos werden…
Nils Henkel: Ganz so sehe ich das nicht. Wir müssen da unterscheiden zwischen Fernsehköchen, die eine breite Masse erreichen, und den Köchen, die ernsthaft am Herd stehen und da einen exzellenten Job machen. Und die Ernährung steht zwar zunehmend im Fokus, aber die meisten, und es werden immer mehr, sitzen auf dem Sofa, schauen sich eine Kochsendung an, ernähren sich selbst aber nicht gut. Es wird immer weniger selbst gekocht, nicht mehr gemeinsam mit der Familie gegessen und nur wenige sind bereit, Geld für eine gesunde Ernährung auszugeben. Zudem ist der Stellenwert der gehobenen Küche in Deutschland lange nicht so groß wie in anderen Ländern. Uns fehlt hier auch eine Lobby, die auch mal klar macht, dass die gehobene Küche ein Kulturgut ist, das auch den Tourismus fördert und somit auch ein wirtschaftlich bedeutender Faktor sein könnte. Deshalb haben wir es hierzulande einfach schwerer, unser Klientel zu finden.
Lockt mit Sicherheit Touristen an: Nils Henkels getrüffeltes Perlhuhn
worlds of food: Sollten Köche sich demnach auch als kulinarische Botschafter verstehen?
Nils Henkel: Als Koch, der sich Gedanken über Ernährung macht, ist man immer ein Botschafter. Wenn nicht Köche für eine gesunde, nachhaltige Ernährungsweise stehen, wer denn sonst?
worlds of food: Wer sind denn aus Ihrer Sicht die aktuellen Ronaldos oder anders gesagt gute kulinarische Botschafter?
Nils Henkel: Es fällt mir schwer, da bestimmte Köche herauszupicken, weil wir hier wirklich tolle Köche haben. Mein jahrelanger Nachbar Joachim Wissler in Bergisch Gladbach – und deshalb nenne ich ihn – ist zum Beispiel einer davon. Dort war ich häufig und gerne bei ihm essen und habe immer über den Aufwand gestaunt, der dort im Vendome betrieben wird. International tue ich mich da schon leichter, jemanden zu nennen. Dort gibt es mit Ferran Adria oder René Redzepi einfach Protagonisten, die viel bewegt haben in der kulinarischen Welt, die die Küche weiterentwickelt haben. Da gehört Mut dazu, da gehört Intelligenz dazu, da gehört aber auch ein Gespür für Marketing dazu. Da können wir hierzulande noch viel lernen.
worlds of food: Wo reisen Sie denn aus kulinarischer Sicht am liebsten hin?
Nils Henkel: Wenn ich beruflich unterwegs bin, versuche ich schon, so viele gute Kollegen wie möglich zu besuchen. Skandinavien ist momentan natürlich ungemein spannend oder auch das Baskenland. Privat hingegen – wir haben zwei kleine Töchter – stehen Gourmet-Ziele natürlich momentan nicht so im Fokus.
worlds of food: Wie sieht es mit den USA aus, mit New York zum Beispiel?
Nils Henkel: Chicago und New York sind sehr spannend. Damals war Daniel Humm in New York zum Beispiel noch ein Geheimtipp, heute kennt ihn jeder. Da war ich 2011, die guten Läden halten sich eben. So wie das „Masa“, das war bisher mein teuerstes kulinarisches Erlebnis. Die zwei Stunden dort schlugen insgesamt mit 800 Dollar zu Buche. Viel Sushi, kleine komplexe Gerichte und alles sehr puristisch. Die Produktqualität war sensationell und ich würde das, trotz des Preises, jederzeit wieder machen.
worlds of food: Die Kurve von New York zurück in den Rheingau zu bekommen, ist nicht ganz einfach, aber können Sie sich abschließend vorstellen, hier in Hessen alt zu werden?
Nils Henkel: Warum nicht, ja. Ich war zuvor 18 Jahre lang im Schloss Lerbach. Eine sehr lange Zeit für einen Koch. Ich habe mich wohlüberlegt für Burg Schwarzenstein entschieden, habe zuvor einige Anfragen abgesagt, wo ich nicht hingepasst hätte. Hier sind jetzt alle Faktoren so, wie ich sie mir wünsche und von daher könnte ich mir schon vorstellen, hier sesshaft zu werden.
Zum Dessert: Porcellana Schokolade, Röstroggeneis, Blaubeere, Sanddorn
Weitere Informationen
www.nils-henkel.comwww.burg-schwarzenstein.de