Tohru Nakamura: In der Tat, wobei der Guide Michelin für 2017 ja etwas später als üblich veröffentlicht wurde und wir schon vorher sehr gespannt gewartet haben. Ein wenig war es dann, als würde man einem Kind sagen, dass Weihnachten zwei Wochen später stattfindet.
worlds of food: Dem ist zu entnehmen, dass Sie ein wenig mit dem zweiten Stern geliebäugelt haben.
Tohru Nakamura: Die Wahrscheinlichkeit war vorhanden. Die Kommunikation der Restaurantführer ist ein wenig offener geworden und man bekommt heute schon irgendwie mit, dass man genauer beobachtet wird.
worlds of food: Ist der Guide Michelin denn auch lockerer geworden, was die Bedingungen für Sterne betrifft? Einmal abgesehen von der Qualität des Essens…
Tohru Nakamura: Auch das, ja. Bei der Gala zur Veröffentlichung der 2017er-Ausgabe fiel immer wieder der Begriff „Casual Fine Dining“. Das rückt mehr in den Fokus und für mich ist das nur ein logischer Schritt, da ja auch immer wieder proklamiert wird, dass es nur ums Essen gehen soll. Es sollte also egal sein, ob es – übertrieben gesagt – auf einem Pappteller oder mit Silberbesteck serviert wird. Der Trend geht ja weltweit auch dahin. In Singapur haben wir nun einen Imbiss und in Tokio ein Ramen-Restaurant mit einem Michelin-Stern. Ich denke, es liegt an uns Gastronomen, was wir daraus machen und wie wir den Gast zufriedenstellen.
worlds of food: Die Entwicklung, die Sie nun in den letzten Jahren vollzogen haben, kann man durchaus als rasant bezeichnen. Von der Entdeckung des Jahres 2013 (Gault Millau), über den ersten Michelin-Stern 2014 und den Titel Koch des Jahres 2015 vom Feinschmecker bis hin zum zweiten Stern jetzt vergingen nicht allzu viele Jahre. Erhöht das nicht auch den Erwartungsdruck auf Sie?
Tohru Nakamura: Nicht unbedingt. Wenn man klare Ziele vor Augen hat, die nicht zwingend diese hohen Bewertungen beinhalten, dann kann man damit umgehen. Ich finde einfach, dass wir unseren Gästen das Beste schuldig sind. Die haben ja auch ihre Erwartungen an uns. Das treibt uns an, tagtäglich hart zu arbeiten. Natürlich sind mir solche Auszeichnungen aber auch wichtig, das ist doch klar. Wenn dein Beruf bewertet wird, willst du schließlich auch gut dabei wegkommen.
©Andreas Nestl
worlds of food: Wie früh war Ihnen denn Ihr Talent klar?Tohru Nakamura: Talent alleine genügt ja leider nicht. Bei mir hat aber bereits Martin Fauster während der Ausbildung im Königshof erkannt, dass ich neben einem gewissen Talent eben auch wissbegierig und bereit war, den steinigen Weg zu gehen und viel dafür zu investieren. Deshalb hat er mich auch ganz großen Namen wie Joachim Wissler und Sergio Herman empfohlen.
worlds of food: Wie wichtig ist denn das Selbstbewusstsein in solch jungen Jahren?
Tohru Nakamura: Ein gesundes Selbstbewusstsein ist definitiv von Nöten, um auch mal eigene Ideen und Gerichte in einen Betrieb einzubringen. Zum anderen hilft einem das auch, diesen anstrengenden Weg durchzuhalten. Gerade wenn ich an Sergio Hermans Restaurant „Oud Sluis“ zurückdenke, war die Arbeit dort doch enorm anstrengend. Da sind wir fünf Tage die Woche von morgens bis abends nur rumgerannt. Man muss dann im Kopf klar bleiben und sich wirklich sicher sein, dass es genau das ist, was man will.
worlds of food: Nach diesen und weiteren Stationen, unter anderem auch einem kurzen Aufenthalt in Tokio, sind Sie nun zurück in München. Darf man das als klares Bekenntnis zu Ihrer Heimatstadt für die Zukunft verstehen?
Tohru Nakamura: Auf jeden Fall. Ich bin ja auch noch immer viel unterwegs und reise gerne. Das heißt, ich hole mir nach wie vor Einflüsse von überall her. Ich mag vor allem Spanien sehr und möchte unbedingt noch Südamerika kennenlernen. Die amerikanischen Metropolen sowieso. Aber heimisch bin ich hier und fühle ich mich einfach gut, wenn ich koche. Hier weiß ich, wie der Hase läuft, hier kann ich auf einheimische Gäste genauso gut eingehen wie Touristen die besten Tipps zur Stadt geben. Das ist ein ganz anderes Gastgeber sein als wenn man im Ausland oder in einer anderen Stadt arbeitet.
worlds of food: Bei Ihrer Entwicklung können strenggenommen ja nur die drei Sterne das erklärte Ziel sein. Formulieren Sie das auch so offen?
Tohru Nakamura: Im Prinzip schon, wobei bei uns im Werneckhof in Schwabing aufgrund der Bedingungen und trotz der zunehmenden Offenheit des Guide Michelin zwei Sterne wohl das höchste der Gefühle sind. Ich glaube jeder, der auf diesem Niveau kocht, träumt letztlich auch von den drei Sternen. Wie und ob man das aber immer offen kommuniziert, ist aber wohl typabhängig. Aber jeder will ja ganz nach oben aufs Treppchen, das ist doch klar. Klar ist allerdings auch, dass das eine echte Hausnummer ist, bei weltweit ohnehin nur 118 3-Sterne-Restaurants.