worlds of food: Herr Gérard, zum Einstieg, wie entstehen Trüffel überhaupt?
Klaus-Wilhelm Gérard: Trüffel brauchen eine Wirtspflanze, mit deren Wurzel sie eine Symbiose eingehen. Das Feinwurzelgeflecht einer Trüffels umschließt folglich zunächst die Wurzel eines Baumes oder Strauchs, versorgt diesen zusätzlich mit Wasser und erhält quasi im Gegenzug Kohlenhydrate und weitere Stoffe aus dem Photosynthese-Prozess des Wirts zum Wachsen. So wächst die Trüffel dann eine Weile, nabelt sich aber irgendwann von ihrem Wirt ab und ist dann reif – je nach Saison als Frühlings- oder Sommertrüffel oder eben jetzt im Herbst von Oktober bis Dezember.
worlds of food: Kann man alle Trüffel essen und woher kommen die besten?
Klaus-Wilhelm Gérard: Es gibt weltweit über 200 verschiedene Trüffelsorten, nur sieben davon sind aus kulinarischer Sicht interessant. Die anderen schmecken entweder nicht, oder sind gar giftig. Das stellt man aber meist schon am Geruch fest, ob eine Trüffel genießbar ist. Wir hier in den Marken haben das Glück, auf dem größten Trüffelvorkommen Italiens zu sitzen. Natürlich ist auch der Piemont für seine Trüffel bekannt, vor allem weil man dort in den 1950er Jahren gutes Marketing betrieben hat, unter anderem Marilyn Monroe und Alfred Hitchcock zum Trüffelessen eingeladen hat. Dabei wachsen hier wie gesagt viel mehr Trüffel und, wenn Sie mich fragen, natürlich auch die besten und vor allem auch fast das ganze Jahr über. Außer im Mai und September – wenn die Trüffelsuche verboten ist, damit sie reifen und sich reproduzieren können – gehen wir das ganze Jahr auf Trüffelsuche.
worlds of food: Wie weiß man, dass eine Trüffel reif ist?
Klaus-Wilhelm Gérard: Erst wenn sie wirklich reif sind, strömt ihr Gas aus und sie verbreiten ihren typischen Geruch. Dann erst können die Hunde sie finden. Es kann also sein, dass wir hier in den Marken rund um Ancona in die Wälder gehen und die Hunde nichts finden, zwei Wochen später aber an gleicher Stelle alle paar Meter anschlagen. Auch geschmacklich haben die Trüffel im unreifen Zustand übrigens nichts zu bieten.
worlds of food: Wie tief unter der Erde findet man die Trüffel?
Klaus-Wilhelm Gérard: Ganz unterschiedlich. Die weißen Frühlings-Trüffel, die sogenannten Bianchetti, sind nur etwa zwei bis drei Zentimeter unter der Erde verortet und wachsen ausschließlich unter Pinien. Es gibt aber auch solche, jene schwarzen Trüffel, die im Herbst reif sind, die bis zu 50 Zentimeter unter der Oberfläche wachsen. Beim Ausgraben muss man natürlich sehr genau darauf achten, dass man die Trüffel nicht kaputtmacht, schließlich sind sie farblich dem Lehmboden hier sehr ähnlich. Mich packt jedes Mal ein regelrechtes Jagdfieber, wenn die Hunde etwas finden: Wie groß ist die Trüffel, wie tief liegt er? Das ist immer aufs Neue spannend.
worlds of food: Wird auch noch mit Trüffelschweinen gesucht?
Klaus-Wilhelm Gérard: Nein, das ist in Italien seit einem Gesetzerlass von 1982 verboten. Wir suchen nur noch mit eigens gezüchteten Hunden. Meine beiden, Leo und Otto, gehören zur Rasse Lagotto romagnolo (lesen Sie hier mehr zur Ausbildung der Trüffelhunde). Das Schwein pflügt den Boden regelrecht um, zerstört den Boden und dadurch trocknet das Myzel aus, die fadenförmigen Zellen eines Pilzes, und es kommt zu keiner Reproduktion mehr an dieser Stelle. Zudem sind die Schweine natürlich selbst ganz scharf darauf, die Trüffel zu fressen. Als es noch erlaubt war, bekamen die Schweine deshalb einen Ring um die Schnauze, damit sie die Trüffel nicht fressen konnten. Um im Bild zu bleiben: Das waren ganz arme Säue damals. Zum Schutz des Bodens darf man auch nicht mit einem Spaten oder ähnlich schwerem Gerät zur Trüffelsuche gehen. Die Einhaltung der wichtigsten Regeln überwacht die Forstpolizei, die komplett ausgerüstet und mit Allradwägen in den Wäldern hier unterwegs ist.
worlds of food: Darf jeder auf Trüffelsuche gehen?
Klaus-Wilhelm Gérard: Nein, dafür braucht man einen Schein. Den bekommt man auch nur, wenn man einen Wohnsitz in Italien hat und eine durchaus anspruchsvolle Prüfung ablegt, die aus mündlichem und schriftlichem Teil besteht. Für den Fall einer Kontrolle muss man diesen auch bei sich tragen.
worlds of food: Wo dürfen Sie überall Trüffel suchen?
Klaus-Wilhelm Gérard: Sofern ich mich nicht auf Privatbesitz befinde, überall hier in der Region. Natürlich sieht man es nicht so gerne, wenn Leute, die nicht aus der Region stammen, hier auf die Suche gehen. Da kann es durchaus sein, dass die Reifen am Auto aufgeschlitzt werden, wenn man sozusagen in fremden Gefilden sucht. Teilweise werden sogar Hunde vergiftet, denen man einen Fleischköder hinlegt, der mit Rattengift gespickt ist. Wie tragisch der Verlust eines solchen Gefährten ist, muss ich wohl nicht näher erklären.
worlds of food: Wie viele Trüffel finden Sie im Schnitt, wenn Sie suchen?
Klaus-Wilhelm Gérard: Ein professioneller Trüffelsucher antwortet darauf immer: Nur ganz wenige, hier und da mal einen (lacht). Aber Spaß bei Seite, in einem normalen Jahr – dieses Jahr war sehr trocken in Italien und die Ausbeute fällt wirklich gering aus – komme ich mit etwa 300 bis 400 Gramm nach Hause, wenn ich auf schwarze Trüffel gehe. Bei den weißen sind es etwa 100 bis 200 Gramm. Weil der Ertrag in diesem Jahr so gering war, liegt der Preis derzeit sehr hoch für qualitativ hochwertige Trüffel. Momentan etwa bei 10.000 Euro pro Kilogramm.
worlds of food: Woran erkenne ich auf dem Markt, dass es sich um eine gute Trüffel handelt?
Klaus-Wilhelm Gérard: Das ist eine gute Frage, denn oft wird man, sei es aus Unwissenheit oder aus Profitgier, falsch beraten. Am besten sollte man die Trüffel in die Hand nehmen und daran riechen. Dann stellt man fest, ob es sich um ein angenehmes Düftchen handelt oder ob sie „spritten“, nach Gas oder bitter riechen. Danach kann man die Kaufentscheidung treffen.
worlds of food: Wie essen Sie persönlich Trüffel am liebsten?
Klaus-Wilhelm Gérard: Ich habe es am liebsten ganz einfach und bereite mir eine Soße aus Butter und etwas Brühe zu und reibe dort die schwarze Trüffel mit einer Käsereibe hinein. Anschließend noch al dente gekochte Tagliatelle darin schwenken und etwas ziehen lassen. Noch etwas von der Trüffel und Parmesan darüber hobeln und fertig ist ein wunderbares Essen. Bei den weißen Trüffeln bin ich sogar noch puristischer. Die hobele ich entweder nur über ein paar Eiernudeln oder ein Spiegelei – mehr braucht es nicht.
Hier erfahren Sie mehr über Klaus-Wilhelm Gérard, der auch spezielle Trüffelreisen in die Region Le Marche anbietet
Buchtipp:
Faszination Trüffel - Suchen, Finden, Kochen... Geschichten und Geschichte über den kostbarsten Pilz der Welt
Von Klaus-Wilhelm Gérard: Ein Trüffelexperte verrät die großen und kleinen Geheimnisse über die Diamanten der Erde
192 Seiten, gebunden mit vielen Farbbildern 17 x 28 cm
ISBN: 978-3-928432-53-5
Preis: € 24.90
Hier: Darf man Trüffel in Deutschland suchen?
Derk Hoberg -- Klaus-Wilhelm Gérard und Ehefrau Federica
- Derk Hoberg
Jagdfieber: Trüffel-Experte Klaus-Wilhelm Gérard im Interview
Klaus-Wilhelm Gérard ist Unternehmer, hat die Lizenz zum Trüffelsuchen und ein Buch über diese Leidenschaft geschrieben. Er lebt in Peißenberg, Oberbayern und in Monte San Vito in der italienischen Region Le Marche. Die charmante Landschaft dort beherbergt das größte Trüffelvorkommen Italiens. Einen besseren Experten hätten wir zum Thema Trüffel also nicht finden können. Unser Gespräch zum Nachlesen: