worlds of food: Frau Bosch, denken Sie heute noch hin und wieder an Ihre Anfangszeit als Sommelière zurück? Der Weg war doch auch ein wenig steinig…
Paula Bosch: Nicht allzu oft. Obwohl der Weg, da haben Sie recht, nicht immer vorgezeichnet war. Ich meine dies in vielerlei Hinsicht. Alleine das Wissen, das einem heutzutage via Knopfdruck über das Internet zur Verfügung steht, gab es damals nur in Büchern. Natürlich muss man im Internet darauf achten, sich an verlässliche Quellen zu halten. Aber Wissen lässt sich heute viel leichter gewinnen. Andererseits hat sich das Verhältnis des Gastes zur Gastronomie verändert. Heute ist es auch viel selbstverständlicher, einen Wein zu probieren, bevor man ihn zum Essen bestellt. Das gab es so vor 30 Jahren nur sehr selten, da wurde keine Flasche einfach so zum Probieren geöffnet. Auch das erleichtert es dem Sommelier. Und drittens war es natürlich schwer, als weibliche Sommelière in dieser Männerdomäne überhaupt Fuß zu fassen und Anerkennung zu erhalten. Ich musste am eigenen Leib spüren, dass das nicht jeder Mann gerne gesehen hat. Sie glauben gar nicht, wie schräg ich anfangs gerade in Frankreich angesehen wurde: Eine Frau und noch dazu eine Deutsche. Das kam beinahe schon einer Katastrophe gleich (lacht).
worlds of food: Dabei wird Frauen ja generell eine bessere Sensorik nachgesagt…
Paula Bosch: Wesentlich sensibler sei der Geschmackssinn, sagt man. Vielleicht liegt das an den Genen, vielleicht an den Hormonen, das ist noch nicht hundertprozentig erforscht. Ich persönlich nehme auch an, dass Frauen schon früher und intensiver mit Gerüchen konfrontiert werden und daher Vorteile haben.
worlds of food: Haben denn Kolleginnen wie Nathalie Lumpp oder Christina Fischer aufgrund Ihrer Vorarbeit mal bei Ihnen Rat gesucht?
Paula Bosch: Ja natürlich, aber das beruht sogar auf Gegenseitigkeit. Wir stehen ja ständig in Kontakt, tauschen uns aus, entwickeln gemeinsame Ideen. Da ist auch keinerlei Konkurrenz zu spüren, im Gegenteil: Die eine profitiert inzwischen von der anderen und das ist doch eine tolle Situation.
worlds of food: Was ist denn für Sie das größte Privileg an Ihrem Beruf?
Paula Bosch: Ich habe es immer toll gefunden, nach einem Arbeitstag zufrieden nach Hause zu gehen können. Als ich noch selbst in der Gastronomie gearbeitet habe, hatte ich nämlich das Glück, täglich Menschen glücklich zu machen. Und genau das ist ein Privileg.
worlds of food: Nun hat nicht nur der Sommeliersberuf eine tolle Wandlung hinter sich, sondern auch der Deutsche Wein. In Ihrem aktuellen Buch „Deutscher Wein und Deutsche Küche“ begeben Sie sich deshalb mit Tim Raue auf eine Wein- und Genussreise durch Deutschland. Wie erklären Sie diesen Aufschwung?
Paula Bosch: Der deutsche Wein hat schon eine lange Entwicklung hinter sich. Die letzten beiden Generationen sammelten Erfahrungen an. Einen großen Schritt nach vorne gab es dann vor nicht allzu langer Zeit. Die jetzige Generation der jungen Winzer profitiert nämlich enorm von ihren Eltern. Diese hatten damals damit begonnen, zu reisen, im Ausland zu lernen, wie man große Weine produziert. Sie haben die Ärmel hochgekrempelt und sich in die Arbeit gestürzt. Man erkannte zu dieser Zeit, dass man mit guten Produkten eben auch Umsätze generieren und Geld verdienen kann. Es wurde begonnen, den Weinbau wieder als Chance zu begreifen. Das sollten meiner Meinung nach übrigens auch die anderen Landwirte so sehen und versuchen, viel mehr gutes Gemüse herzustellen, um damit Profite einzufahren. In dieser Branche besteht noch etwas Nachholbedarf – nicht umsonst fehlt dort auch der Nachwuchs. Die aktuelle Generation der Winzer hat das aber adaptiert und das Wissen ihrer Eltern nochmals perfektioniert. Das Vorbild war auch in diesem Fall, wie in der Gastronomie eigentlich üblich, Frankreich. Und dieser Trend bestätigt sich nicht nur beim Wein, sondern zunehmend auch in der Gastronomie, wie die aktuellen Restaurantführer gerade wieder bezeugen. Da kommt uns Deutschen offenbar unser Hang zu Gute, die Dinge perfektionieren zu wollen.
worlds of food: Sie haben mit kulinarischen Größen wie Eckart Witzigmann, Hans Haas und nun auch mit Tim Raue (im Bild) zusammen gearbeitet. Welche war denn die spannendste Station in Ihrer Laufbahn?
Paula Bosch: Da möchte ich keine Rangliste aufstellen. Zumal die aktuelle Arbeit mit Tim Raue ganz anders war, als mit den beiden anderen erwähnten Chefs. Mit ihm habe ich mich hervorragend für das Buch abgestimmt. Er hat alles möglich gemacht, damit wir unseren Abgabetermin einhalten konnten. Mit Hans Haas habe ich dagegen im Tantris den klassischen gastronomischen Alltag gelebt. Deshalb war das sicherlich eine ganz andere Situation mit sehr viel Alltagsstress, mit allen Höhen und Tiefen, die in einem Restaurant dazugehören. Er sagte immer wieder zu mir: „Frau Bosch, Sie sehen mich öfter und länger als meine Frau.“ Für eine solch intensive, gastronomische „Ehe“ haben wir uns in all den gemeinsamen Arbeitsjahren doch sehr gut verstanden und alle Schwierigkeiten mit Bravour gemeistert. Eckart Witzigmann hatte ich hingegen sehr häufig als Gast. Ich habe allergrößte Hochachtung vor ihm, vor seiner Leistung und seinem Wissen. Und vor seinem Umgang mit dem Produkt. Dazu gehört auch sein waches Auge und sein stetiges Interesse dem Produkt Wein gegenüber. Das zeichnet eben auch Hans Haas und Tim Raue aus – daher auch die Wahl meiner Zusammenarbeit mit Tim Raue aktuell.
worlds of food: Haben Sie denn zum Abschluss einige grundlegende Tipps für unsere Leser, worauf man beim Weinkauf achten sollte?
Paula Bosch: Wenn man aus Zeit- oder Entfernungsgründen nicht direkt beim Produzenten einkaufen kann, was immer meine erste Empfehlung wäre, dann sollte man unbedingt im Fachhandel einkaufen. Dort kann man sich beraten lassen, Empfehlungen und Tipps einholen und auch mal probieren. Egal, ob man einen Wein für sich oder die Weinbegleitung für ein Abendessen mit Gästen sucht. Sich einfach nur an Parker-Punkten, Noten oder Sternchen zu orientieren, hilft nur bedingt weiter. Daran erkennen Sie ja nicht, ob Ihnen in Wein tatsächlich schmeckt. Deshalb halte ich die Weinfachhandel für unersetzlich. Zumindest so lange, bis man weiß, was einem schmeckt.
Wolfgang Stahr
- Derk Hoberg
Paula Bosch - Ein Leben für den Wein
Paula Bosch war die erste Sommelière Deutschlands. Zunächst musste sie in dieser Männerdomäne um Anerkennung kämpfen, setzte sich aber durch, wurde vom Gault&Millau bereits 1988 zur Sommelière des Jahres gekürt. Sie arbeitete 20 Jahre als Chef-Sommelière im Münchner Gourmetrestaurant Tantris und ist heute selbständige Wein-Expertin und Autorin zahlreicher Beiträge und Bücher zum Thema Wein. Wir trafen sie bei einer Verkostung deutscher Burgunderweine zum Gespräch.