In dieser gehobenen Kategorie gibt es bei den Hotels an Ausstattung und Service meistens wenig auszusetzen. Obendrein liegen solche Häuser zumeist an außergewöhnlich schönen Orten. All jene Faktoren treffen auch auf das La Perla im Südtiroler Örtchen Corvara zu. Erstklassiger Service, tolle Zimmer, gehobene, ja sogar sternedekorierte Küche und ein stilvoller Fitness- und Wellness-Bereich. Umso schöner ist, dass dieses Hotel noch mehr zu bieten hat, nämlich eine echte Philosophie. Das liegt vor allem an Michil Costa, dem Sohn der Erbauer des Hotels und heutigem Besitzer. Sein Stil und seine Einstellung machen das La Perla zu dem was es ist: ein Spitzenhotel mit Herz.
Punk, Grüner, Hotelbesitzer
Michil Costa ist ein bescheidener Mann. Aufgefordert, doch ein wenig von sich zu erzählen, entgegnet der 52-Jährige zunächst nur: „Da gibt es nicht viel zu berichten.“ Dabei stapelt er tief. Costa war früher Punk, kandidierte später als Grüner für das Europaparlament, betreibt mit seiner Familie eine Stiftung, die Projekte für Exiltibeter und humanitäre Aktionen in Uganda unterstützt und ist nicht zuletzt Hotelbesitzer. Als Jugendlicher war er aus der Enge des heimatlichen Tals ausgebrochen, gewissermaßen nach London geflohen. „Die hohen Berge hier waren ein Hindernis, sie standen mir im Weg. Ich wollte raus, wollte The Clash live sehen, wollte die Sex Pistols miterleben. Ich habe mich in London nur durchgehangelt, von der Hand in den Mund gelebt und wollte immer einen Whiskey im Glas haben. Zu dieser Zeit habe ich ausprobiert, was man probieren konnte. Diese Phase damals hätte auch anders ausgehen können, schließlich sind viele meiner damaligen Idole sehr jung auf der Strecke geblieben“, blickt der Hotelchef auf seine stürmische Drangperiode zurück.„Ich tue so, als ob ich mich ärgere“
Dass er heute so gefestigt ist, ja beinahe geläutert wirkt, hat seine Gründe. Er ist ein philosophisch interessierter Mensch und lernte zudem bedeutende Persönlichkeiten kennen, die ihm Ratschläge gaben, an die er sich bis heute hält: „Der Dalai Lama sagte mir einmal, dass man immer mit Heiterkeit durchs Leben gehen solle. Wenn ich dich anlächle, sagte er mir, lächelst du zurück und schon herrscht eine positive Energie zwischen uns. Zum Jahresbeginn 2012 habe ich mir auf dieser Basis sogar vorgenommen, mich nicht mehr zu ärgern. Über nichts und niemanden. Und bisher ist mir das allen Ernstes gelungen. Paradoxerweise tue ich hin und wieder noch so, als ob ich mich ärgere. Einfach nur, um mancher meiner Aussagen in geschäftlichen Gesprächen mehr Gewicht zu verleihen. Das ist dann aber geschauspielert.“Neben seiner eigenen Zufriedenheit liegt Michil Costa jeder seiner Gäste sehr am Herzen: „Wir hoffen, hier eine familiäre Atmosphäre zu bieten. Es ist doch etwas Wunderbares, Menschen glücklich zu machen, die hier in ihrem Urlaub die schönste Zeit des Jahres verbringen möchten. Dafür versuchen wir, eine positive Energie zu erzeugen und wir stellen den finanziellen Aspekt, den Gewinn, nicht in den Mittelpunkt. Es dreht sich bei uns nicht ums Geld, sondern um die Zufriedenheit aller Beteiligten, unserer Gäste und unserer Mitarbeiter.“ Dass dies nicht nur leere Worthülsen sind, zeigt die Tatsache, dass die Küchenangestellten des La Perla seit vergangenem Sommer 22 Prozent weniger arbeiten – bei gleichbleibendem Lohn. Das funktioniert, weil die Angestellten nun motivierter seien, schneller und effektiver arbeiten als zuvor, berichtet Costa.
Nachhaltiger Luxus zum Wohle aller
Solche Ideen beruhen auf Costas ganzheitlichem und nachhaltigem Konzept. Dabei geht er sogar so weit, das La Perla und den zugehörigen Berghof Ladinia seit drei Jahren im Sinne der Gemeinwohl-Ökonomie zu betreiben. Nicht mehr die Besitzerfamilie bestimmt über die Geschicke des Hauses, sondern alle Mitarbeiter – im Rahmen eines demokratischen Prozesses. „Diese innerbetriebliche Demokratie bereitet uns mehr Freude als das frühere Wirtschaften. Und das trägt wiederum auch zum eigenen Wohlbefinden bei, dieser Paradigmenwechsel hin zum Wohle aller“, sagt der ehemalige Spitzenkandidat der Südtiroler Grünen.Nachhaltigkeit wird folglich im La Perla sehr groß geschrieben. So groß, dass Costa zukünftig von seinen Lieferanten sogar Sozialbilanzen ihrer Unternehmens sehen möchte. Dass diese, nach Costas Vorstellungen, positiv sein müssen, versteht sich von selbst. Andernfalls wird der Lieferant eben gewechselt. Dieser Verantwortung gegenüber seinen Angestellten und sogar gegenüber Arbeitnehmern anderer Unternehmen möchte Costa sich stellen. Genauso, wie er gemeinsam mit seinen Köchen bereits eine Rote Liste an ethisch nicht vertretbaren Produkten erstellt hat, die in der Küche nicht mehr verwendet werden. „Wenn ein zahlungskräftiger Russe sich deshalb ein anderes Hotel suchen möchte, weil er dort alles bekommt was er haben möchte, dann ist das halt so“, sagt Costa meinungssicher und fügt hinzu: „Es gibt auch viele, die nicht mehr kommen, da es bei uns keine Gänseleber oder keinen Wein aus Kalifornien mehr gibt.“ Dass das verwendete Papier, sowohl für das Infomaterial des Hotels bis hin zum Klopapier, aus recyceltem Papier besteht, zeigt, wie universal man im La Perla denkt. Diese Liste könnte man beliebig weiterführen.
Der Weinkeller rockt
Obwohl er heutzutage lieber ein Glas Wein als einen Whiskey in der Hand hält, hat Costa mit seiner Vergangenheit nicht gänzlich abgeschlossen. Die Leidenschaft zur Musik begleitet ihn noch immer. Das bemerkt man auch im Weinkeller des Hotels, dem Mahatma Wine. Diesen hat Gandhi-Bewunderer Michil Costa selbst konzipiert, er gehört heute mit seinen über 30.000 Flaschen zu den bedeutendsten Weinkellern Italiens und ist eine Art Kunstwerk an sich: thematisch aufgebaut und im Hintergrund laufen Stücke von Costas Lieblingsmusikern wie Frank Zappa oder den Ramones, je nachdem, in welchem Raum man sich gerade befindet. Diese Liebe zum musikalischen Detail findet sich auch im La Stüa de Michil, dem Sternerestaurant des Hotels, wieder. Neben der ausgezeichneten Küche und der Tradition, die das gesamte Interieur vermittelt, fällt auch hier die Klangwelt auf. Dabei wird jeder Tag einem anderen großartigen Künstler der Musikgeschichte gewidmet und Küchenchef Arturo Spicocchi zaubert Südtiroler Spezialitäten auf Sterneniveau dazu. Allein die Musikrichtung ist eine andere als im Weinkeller, handelt es sich hier doch meist um dezenteren Jazz oder Soul.Das La Perla hat im Gegensatz zu vielen anderen Hotels eine wirkliche Philosophie, die mit viel Energie umgesetzt wird. „Es geht um Respekt. Dem Menschen und der Erde gegenüber“, schließt Michil Costa das „wenige“ ab, das er über sich und sein Hotel zu berichten hat. Angenehm, bescheiden und wohltuend.