Der 71-Jährige kommt einmal die Woche für vier Stunden hierher, unterhält sich mit den Kollegen, die alle etwa in seinem Alter sind und backt seine Kuchen nach traditionellen Rezepten und mit viel Liebe. Die Kuchen werden bestellt, denn Kuchentratsch lässt die Kuchen nicht für einen Kaffeeklatsch der SeniorInnen backen, sondern verkauft sie an Unternehmen und sogar Cafés. Vom Erlös wird die Miete gezahlt und auch die SeniorInnen erhalten ihren angemessenen Lohn.
Gutes Geschäft
Gegründet wurde Kuchentratsch von zwei Studentinnen. Katrin Blaschke und Katharina Mayer, beide 26, suchen seither Seniorinnen und Senioren und weitere Helfer für ihr Projekt. Die Idee dahinter: Kuchentratsch will eine neuartige Anlaufstelle für SeniorInnen sein, die mit einer konkreten Aufgabe, dem gemeinschaftlichen Kuchenbacken, verbunden ist. Damit soll eine Verknüpfung von Beschäftigung, generationenübergreifendem Austausch und Vernetzung sowie auch finanziellem Zugewinn geschaffen werden. Die Omas und Opas erleben Gemeinschaft, übernehmen Verantwortung und sind Teil eines kleinen Unternehmens, für das ihre Ideen, ihr Wissen und ihre Fertigkeiten von maßgeblicher Bedeutung sind. Dabei sind die SeniorInnen auf 450 Euro-Basis angestellt und haben somit die Möglichkeit, sich etwas zur Rente dazuzuverdienen. Ihre Zeit können sie sich frei einteilen. Ein gutes Geschäft für alle Beteiligten.Oma backt am besten
400 Eier verbrauchen die Kuchentratsch-Konditoren in der Woche, Tendenz steigend. Gerade steht mit der Münchner Kochgarage wieder ein neuer Auftraggeber auf der Matte. Graciela Cucchiara, die Chefin der Eventlocation, ist begeistert von der Idee der Studentinnen: „Die Mamas und Omas dieser Welt kochen und backen doch einfach am besten. Da kommt kein Sternekoch gegen an!“ Sie hat nun die Wahl zwischen Linzer Torte von Oma Renate, Karottenkuchen von Oma Irmgard, dem veganen Apfelkuchen mit Streuseln von Oma Elfi und knapp 30 weiteren Kuchen, die hier in der Backstube produziert werden. Und so röhren hier dreimal die Woche die Rührgeräte in den Rührschüsseln, immer ab zehn Uhr morgens. „Ab neun gilt das Senioren-Ticket der Verkehrsbetriebe, dann können unsere Omas bis zehn hier sein und anfangen“, lautet die simple Erklärung Katharina Mayers für die relativ späte Anfangszeit.„Ich habe immer gerne gekocht“, erklärt Rentner Norbert, während er einen duftenden Zupfkuchen aus dem Ofen holt. In das Thema Backen sei er über Umwege hineingerutscht: „Irgendwann wurde ich mal gefragt, ob ich zu einer Geburtstagsfeier eines Freundes einen Kuchen mitbringen könnte. Der kam damals ganz gut an und so habe ich dann öfter mal gebacken“, erklärt Opa Norbert, der auch ansonsten recht aktiv ist und gerne Fahrrad und Ski fährt. Auf Kuchentratsch aufmerksam geworden, ist er durch einen Pressebericht. „Mitmachen kann jeder, der bereits in Rente ist. Aber die Seniorinnen und Senioren müssen ja überhaupt erst erfahren, dass es uns gibt. Daher sind wir dankbar über jeden Bericht, der erscheint“, erklärt Katharina Mayer und weiter: „Manchmal melden sich auch die Enkel zuerst, falls ihre Oma zunächst Berührungsängste hat. Aber bei uns ist jeder herzlich willkommen und man kann sich auch über unsere Homepage bei uns melden.“
Insgesamt 25 Omas und eben Opa Norbert backen und tratschen so Woche für Woche um die Wette. Verwendet werden dafür, wann immer es geht, regionale und nachhaltig erzeugte Produkte und inzwischen sind hier im Hinterhof so viele traditionelle Kuchenrezepte gebacken worden, dass Kuchentratsch sogar schon ein Buch mit Omas besten Backrezepten veröffentlicht hat. Opa Norberts Faule-Weiber-Kuchen fehlt darin leider noch – aber für einen zweiten Band ist es ja nie zu spät.
Mehr Infos: www.kuchentratsch.com