Über Geschmack lässt sich nicht streiten – darüber besteht Einigkeit. Aber was genau versteht man eigentlich unter Geschmack? Wie entsteht er, wie verändert er sich, was beeinflusst ihn? Dr. Thomas Ellrott klärt über den Geschmackssinn auf.
Im Lehrbuch wird Geschmack im engeren Sinne anhand der verschiedenen Geschmacksrichtungen definiert, die man über Zunge und Rachen wahrnimmt. Im alltäglichen Gebrauch wird der Begriff jedoch in aller Regel deutlich weiter gefasst und schließt Geruchseindrücke ebenso wie situative Aspekte mit ein.
Süße Pflanzen sind nicht giftig
Geschmack und Geschmacksempfinden sind vorgegeben, werden erlernt, geprägt und verändern sich. Wissenschaftlich belegt ist, dass bestimmte Geschmacksvorlieben bereits in unseren Genen angelegt sind. Dazu gehören zum Beispiel jene für Süßes, aber auch eine Salzpräferenz. Hinter der angeborenen Vorliebe für Süßes steckt ein evolutionsbiologischer Vorteil. Denn Muttermilch schmeckt süß, süße Pflanzen sind nicht giftig und Süße ist zudem ein Hinweis auf das Vorhandensein lebenswichtiger Kalorien. Salz hingegen ist ein für den Menschen und für alle Lebensprozesse unverzichtbarer Mineralstoff. Wissenschaftler vermuten, dass der Körper mit der Wahrnehmung von Salz versucht herauszufinden, wie viel Elektrolyte beziehungsweise Mineralstoffe in einer Speise enthalten sind. „Kleine Mengen sind lebensnotwendig, darum mögen wir Salz und beurteilen Speisen als geschmacklich besser, wenn sie gewisse Anteile davon enthalten“, erklärt PD Dr. Thomas Ellrott, Leiter des Instituts für Ernährungspsycholgie an der Universität Göttingen.
Während insbesondere Kinder ‚zu süß’ nicht kennen, signalisiert der Körper beim Verzehr einer Speise, wenn genug Salz enthalten ist: Man empfindet sie als versalzen. Wer mehr über die pro Tag empfohlene Verzehrmenge wissen möchte, wird zum Beispiel bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (www.dge.de) oder bei Bad Reichenhaller (www.bad-reichenhaller.de) fündig.
Wie Geschmack sich entwickelt
Geschmack ist sehr individuell, da er das Resultat einer für jeden Menschen einzigartigen Essbiographie darstellt", sagt Ernährungsexperte PD Dr. Thomas EllrottIm Allgemeinen nimmt man allerdings an, dass die Vererbung insgesamt weniger Einfluss auf Geschmacksvorlieben und -abneigungen hat als spätere Lernvorgänge. „Geschmack ist sehr individuell, da er das Resultat einer für jeden Menschen einzigartigen Essbiographie darstellt", erläutert der Ernährungsexperte Ellrott. „Diese wird zwar von der lokalen Esskultur grundlegend vorgegeben. Aber die persönlichen Präferenzen sind darüber hinaus erheblich von den eigenen Vorbildern und Lebenssituationen abhängig.“ Das heißt, die lokal verfügbaren Speisen bestimmen den groben Rahmen. Was die Details angeht, spielt das Beobachtungslernen eine große Rolle: Was die Vorbilder tun wird wahrgenommen und anschließend imitiert. Daneben beeinflussen auch emotionale Erlebnisse und Vieles, was im Leben parallel geschieht, Geschmackserlebnisse und -prägungen. „Wer zum Beispiel eine bestimmte Speise kurz nach dem Gewinn eines Sportwettbewerbs gegessen hat, verbindet damit in aller Regel auch später Positives“, so Ellrott.
Wie Geschmack sich langfristig verändert
Nicht nur der Geschmack des Einzelnen entwickelt sich, auch über Generationen hinweg sind Veränderungen von Geschmack beziehungsweise Geschmackswahrnehmung festzustellen. Das verfügbare Angebot an Speisen ist heute im Vergleich zu früheren Zeiten beispielsweise aufgrund von Transportmöglichkeiten, Mobilität und Durchmischung der Kulturen deutlich größer. Hinzu kommt, dass „auch die sprachliche Differenzierung des Geschmacks von Speisen und Getränken deutlich zugenommen hat, was bei der Beschreibung von Wein vielleicht am besten deutlich wird“, wie Ellrott feststellt. „So können wir heute grundsätzlich wesentlich differenzierter schmecken und benennen als noch vor Jahrhunderten.“ Auch hier spielen das Lernen und Üben eine große Rolle. Bewusstes Essen und Schmecken helfen dabei, die Wahrnehmung zu schulen.