worlds of food: Herr Schumann, was trinkt man derzeit in den Bars?
Charles Schumann: Was derzeit in vielen Bars getrunken wird, sind verschiedene Sazerac-Variationen. Entweder mit Brandy oder halb Brandy, halb Whiskey oder nur Whiskey. Mit Bitters eben und bisschen Zucker. Das sind also die Sachen, die ich trinke. Wenn man jetzt Durst hat, kann man frisches, saftiges trinken – da gibt es ein schönes Wort im Französischen: Soif de l’été, Sommerdurst. Aber es darf auch nicht jeder Saft sein. Viele Früchte oder Säfte haben bei uns kein Aroma und schmecken nach nichts. Wenn sie nicht frisch sind, sind sie sowieso nichts. Und die paar frischen Säfte… Mittlerweile bekommt zwar natürlich alles, aber wenn eine tropische Frucht irgendwo halbgrün geerntet und hierher geliefert wird und dann gewartet wird, bis sie sich entwickelt, kann das natürlich auch nichts sein. Also ich trinke am liebsten pur. Aber man darf natürlich die vielen Whiskeytrinker nicht vergessen und vor allem nicht, dass auch ein Glas Champagner immer noch etwas Großartiges ist.
worlds of food: Was macht einen guten Cocktail aus?
Charles Schumann: Das ist ganz schwierig. Man muss sich fragen, warum gibt es so viele lausige Cocktails? Aber es gibt ein paar Dinge, an die ich wirklich glaube. Also: Man braucht eine wirklich ordentliche Spirituose, die Grundzutaten müssen stimmen. Außerdem muss der Barkeeper eine Ahnung haben und, und das ist das Schwierige, nicht jedem Gast schmeckt jeder Drink gleich gut. Wenn man auf den Gast eingehen könnte, wäre das natürlich ganz prima. Wenn ich dich also kenne und du bestellst bei mir einen Whiskey sour und du hast schon öfter bei mir einen Whiskey sour getrunken, dann weiß ich beispielsweise, dass du eigentlich einen süßen Sour haben willst, also mit mehr Zucker oder süßen Elementen. Dann mach ich dir den Drink perfekt. Wenn ich dich aber nicht kenne, und du magst deinen Sour eher süß und ich mache dir einen richtig sauren, dann sagst du: Was ist denn das für ein scheiß Drink. Es gibt ein Wort, das in England verwendet wird, wenn man Maßanzüge näht und ich finde, man sollte es in der Cocktailsprache einführen. Es heißt: be spoken. Man bespricht es. Man bespricht es mit dem Gast und dann weiß man irgendwann, was der Gast wünscht. Diesen Ausdruck finde ich sehr gut. Das geht natürlich am besten in einer kleinen Bar, wo man direkten Kontakt mit dem Gast hat. Und dann gibt es aber natürlich auch noch ein paar Barkeeper, die einfach immer gute Drinks machen.
worlds of food: Und was darf in einer Bar auf keinen Fall fehlen? Was muss jede Bar haben?
Charles Schumann: Was muss jede Bar haben? Jede Bar – das ist natürlich meine eigene Meinung und das haben auch viele gute Restaurants nicht – sollte einen super Espresso haben. Achten Sie doch mal darauf, in wie vielen Sternerestaurants Sie einen lausigen Espresso kriegen. Es ist zwar schon besser geworden, aber es ist immer noch nicht so, dass ich sagen kann, in einem Restaurant, in dem ich hervorragend esse, trinke ich einen super Kaffee. Der Espresso ist meiner Meinung nach der zentrale Punkt. All die anderen Dinge, wie großartige Spirituosen, gute Barkeeper gibt es immer mehr. Es gibt auch viele junge Leute, die sich nicht nur auskennen, sondern die auch passioniert sind. Passion ist ganz wichtig. Ohne Passion kann man nichts machen. Dann kann man in keiner Bar arbeiten, schon gar nicht in einem Restaurant. Die Arbeit ist so hart, dass man Probleme hat, wenn man es nicht gerne macht.
worlds of food: Sie haben zwei Bars hier in München. Warum München als Standort?
Charles Schumann: Ich würde gerne auch woanders sein, aber ich glaube, dass wir nicht an jeder Ecke eine Bar aufmachen können. Das ginge überhaupt nicht. Wir haben hier angefangen, ich bin hier geblieben – manchmal sage ich zu lange. Aber jetzt bin ich ja ganz sicher im letzten Drittel meines Lebens und da muss ich mir schon überlegen, ob ich die Kraft habe, nochmal etwas Neues zu machen. Und man muss auch sehen, dass es nicht mehr so ist, wie damals als ich angefangen habe. Inzwischen gibt es auch gute andere Bars, sodass nicht jeder eine Schumann’s Bar braucht.
worlds of food.de: Sie haben viele Cocktails entwickelt, die inzwischen weltweit auf Karten stehen. Macht Sie das stolz?
Charles Schumann: Jain. Ich habe ja, als ich angefangen habe, auch bei anderen geguckt. Es war natürlich etwas komplizierter, schließlich gab es kein Internet, es gab nur ganz wenige gut ausgebildete Leute, bei denen man sich etwas abschauen konnte. Ich glaube aber nicht, dass die wichtigste Voraussetzung für unsere Bekanntheit war, dass wir gute Cocktails machen. Ich glaube es liegt eher daran, dass die Leute merken, dass ich zumindest versuche ehrlich zu sein, bei dem was ich tue. Auch wenn es uns nicht immer gelingt, perfekt zu sein. Außerdem merken die Leute, dass ich immer noch sehr gerne an meinen Arbeitsplatz gehe. Es gibt ja nichts Schlimmeres, als sich zwingen zu müssen, in die Arbeit zu gehen. Dann sollte man wirklich aufhören.
worlds of food: Zum Abschluss: Wie viele Cocktails haben Sie in Ihrem Leben getrunken?
Charles Schumann: Nicht so viele. Wirklich nicht so viele. Ganz schwierig wäre es gewesen, wenn Sie mich gefragt hätten, wie viele Kaffee ich getrunken habe, denn ich trinke manchmal zehn am Tag. Dann wird’s viel. Aber Cocktails… Ich sage es Ihnen ganz ehrlich: Während der Arbeit trinke ich so gut wie gar nichts. Das halte ich nicht durch. Dann werde ich müde, unkonzentriert, muss nach Hause gehen, komme nicht aus dem Bett. Wenn ich mal ausgehe, trinke ich außer dem Campari einfach eine Flasche Wein. Das ist mir am liebsten.
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- Nils Borgstedt
Das braucht eine gute Bar - Interview mit Charles Schumann (Teil 2)
Im zweiten Teil unseres Interviews mit Barlegende Charles Schumann verrät er uns, welche Drinks gerade gerne getrunken werden, was einen guten Cocktail ausmacht und was auf keinen Fall in einer guten Bar fehlen darf.