worlds of food: Herr Priller-Riegele, wie haben Sie sich auf die WM vorbereitet?
Sebastian Priller-Riegele: Man bereitet sich natürlich noch einmal speziell auf internationale Bierstile vor. Ich habe mir Biere aus der ganzen Welt in die Brauerei geholt und die zusammen mit meinem Braumeister verkostet und diskutiert.
worlds of food: Bei der WM haben die Teilnehmer an die 20 Biere verkostet. Hat man da im Finale überhaupt noch alle Sinne beisammen?
Sebastian Priller-Riegele: Ja, klar. Bei den sogenannten Flavours zu Beginn muss man nicht zwangsläufig trinken. Es gab zum Beispiel sechs Flavours, die man schon sensorisch über die Nase beurteilen konnte. Und auch bei den anderen die man trinkt, trinkt man ja nur einen kleinen Schluck, um den Nachtrunk zu verstehen und beurteilen zu können. Die Menge die man da trinkt ist eher gering. Dazu kommt, dass sich in den Pausen die Geschmacksknospen regenerieren und wenn man dann noch Wasser mit Kohlensäure trinkt, beschleunigt das den Prozess. Da ist man schon wieder fit im Finale.
worlds of food: Als Biersommelier trinken Sie den einen oder anderen Liter Bier. Ein Bierbauch lässt sich bei Ihnen aber nicht erkennen. Wie kann das sein?
Sebastian Priller-Riegele (lacht): Vielen Dank! Bei einer Verkostung trinkt man eigentlich gar nicht so viel Bier. Ich trinke sehr gerne Bier, ja, ich liebe Bier sogar, aber Bier macht nicht dick! Bier hat weniger Kalorien als Wein oder Prosecco. In Tschechien gibt es sogar Bier-Diäten. Es ist nur so, dass wenn man Bier trinkt, wird durch den Alkohol der Sättigungsnerv betäubt und dadurch isst man etwas mehr. Dass Bier allein dick macht, ist aber ein großes Missverständnis.
worlds of food: Wie viel Bier trinken Sie denn am Tag?
Sebastian Priller-Riegele: Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt Tage, an denen ich gar kein Bier trinke. Zum Biertrinken muss der Anlass passen, das Genussmoment muss passen und dann muss auch das richtige Bier zu diesem Moment da sein.
worlds of food: An einem „Bier-freien“ Tag… Vermissen Sie da den Biergenuss?
Sebastian Priller-Riegele (lacht): Nein, so einen Tag überlebe ich schon ohne Probleme. Sagen wir so, wenn es einen schönen Anlass gibt, zu dem Bier passt, dann vermisse es schon, wenn keines da ist. Was mich am meisten ärgert, wenn man auf Empfängen, auf Events ist und es immer den typischen Prosecco-Empfang gibt. Ich finde es schade, dass Bier dort kaum zum Einsatz kommt oder zelebriert wird.
worlds of food: Haben Sie ein Lieblingsbier?
Sebastian Priller-Riegele: Ja, ich habe genau genommen zwei Lieblingsbiere. Zum einen das Commerzienrat Riegele. Das ist auch Bier des Jahrzehnts geworden. Da haben wir so viel Herzblut reingesteckt, ein wunderbares Festbier. Auf der anderen Seite bin ich ein ganz großer Fan von sogenannten India Pale Ales. Das sind Biere, die Bittereinheiten jenseits der 50 haben. Also Biere, die wirklich mit einer intensiven Fülle von Hopfenaromen aufwarten können und das finde ich, sind wunderbare Biere.
worlds of food: Biere haben viele verschiedene Inhaltsstoffe. Was war bisher die kurioseste Zutat, an die Sie sich erinnern können?
Sebastian Priller-Riegele: Die kurioseste Zutat war, dass im Glas Johannisbeeren geschwommen sind. In den USA hat sich in den letzten Jahren eine interessante Landschaft von kleinen Brauern herauskristallisiert. Und die haben schlicht und ergreifend kein Reinheitsgebot und können alles machen, wonach ihnen der Sinn steht. Das war mit das verrückteste was ich probiert habe.
worlds of food: Woran erkennt denn ein „Otto-Normal-Verbraucher“ ein gutes Bier?
Sebastian Priller-Riegele: Wenn es denn den „Otto-Normal-Verbraucher“ gibt… Dem Bierliebhaber empfehle ich, egal was er trinkt, er muss das Bier warm werden lassen und dann muss er es bei 13 oder 14 Grad verkosten und das Ganze im Vergleich zu anderen. Und er muss sich eigentlich nur eine Frage stellen, nachdem er es getrunken hat: Habe ich Lust auf einen zweiten Schluck? Das ist das Grundkriterium für ein Bier. Dann kommt noch dazu, dass Geschmack etwas ist, was in der emotionalen Gehirnhälfte stattfindet. Das heißt, es geht nie nur um die Sensorik. Es geht immer auch um die Bierzelebration, um eine Philosophie.
worlds of food: Was unterscheidet ein Biersommelier von einem Weinsommelier, abgesehen vom Getränk selbst?
Sebastian Priller-Riegele: Vom Grundsatz her sollten sich die beiden nicht unterscheiden. Bei beiden geht es um Aromen, um das Aromenzusammenspiel. Der eine ist eben spezialisiert auf die Kategorie Wein und der andere auf die Kategorie Bier. Nichts desto trotz muss man natürlich sagen, dass der Wein das Thema schon viele Jahre länger und intensiver bespielt. Das Bier ist da allerdings auf einem sehr schönen Weg. Wenn ich mir anschaue, welche Dynamik der Verband der Biersommeliers genommen hat und wie interessiert die Leute am Bier sind, dann denke ich stehen wir dem Wein in nichts nach.
worlds of food: Haben Sie denn auch irgendwann einmal die Nase voll von Bier?
Sebastian Priller-Riegele (lacht): Noch nicht. Dazu ist die Vielfalt einfach zu groß.
worlds of food: 2009 waren Sie Vizeweltmeister, jetzt haben Sie den Titel geholt. Treten Sie bei der nächste WM überhaupt noch an?
Sebastian Priller-Riegele (lacht): Ich muss sagen, ich fand es ganz toll, dass Karl Schiffner nach seinem Weltmeistertitel in die Jury gegangen ist. Ich denke, dass es im Sinne der Sache richtig ist, dass auch ich bei der nächsten WM in die Jury gehe. Denn jeder Weltmeister bringt einen anderen Impuls mit und das trägt dazu bei, dass das Bier wieder den Stellenwert bekommt, den es verdient. Deshalb denke ich, dass es beim nächsten Mal wieder einen anderen Weltmeister geben sollte.
worlds of food: Herr Priller-Riegele, vielen Dank für das nette Interview.
Sebastian Priller-Riegele: Sehr gerne!
Wer Lust hat, kann den Biersommelier-Weltmeister hier besuchen